Buxtehude. Mehrheit dafür: Hansestadt soll zehn Jahre früher als Deutschland klimaneutral sein. Private Haushalte sind größtes Problem

Verzicht auf Gas und Öl bei Heizungen, „mindestens“ eine Halbierung des Autoverkehrs in der Stadt und ein massiver Ausbau von Photovoltaik und Windenergie: Das sind nur einige Vorschläge aus einem umfangreichen Antrag, der jetzt im Stadtentwicklungsausschuss Buxtehudes eine breite Mehrheit bekommen hat.

Großes Ziel dabei: Bis spätestens 2035 soll die Estestadt klimaneutral werden, so dass möglichst keine Treibhausgase mehr von dort in die Atmosphäre gelangen können.

Deutschlands Ziel ist 2045, Buxtehude schon in 2035?

Damit würden Buxtehuder dieses Ziel zehn Jahre früher erreichen müssen als die Bundesrepublik insgesamt. Bisher hat sich Deutschland das Jahr 2045 für eine Klimaneutralität gesetzt, die EU will erst 2050 so weit sein. Zwar steht die letzte Entscheidung des Rates zu diesem Buxtehuder Sonderweg noch aus, doch bei nur einer Gegenstimme, sieben Ja-Stimmen und drei Enthaltungen dürfte sich das Meinungsbild kaum wesentlich ändern. Zumal hinter dem Antrag eine deutliche Mehrheit aus SPD, Grünen, Linken und Die Partei steht.

Der Schüler und Friedas-for-Future-Aktivist Philipp Bravos ist Ratsmitglied für die Grünen.
Der Schüler und Friedas-for-Future-Aktivist Philipp Bravos ist Ratsmitglied für die Grünen. © AT | Axel Tiedemann

Sprecher dieser Fraktionen begründeten ihren Vorstoß mit der derzeitigen „Klimakrise“. Maßnahmen dagegen seien jahrelang verschleppt worden, sagte etwa der SPD-Politiker Gerrit Steffens, Grünen-Ratsmitglied Philipp Bravos sprach von einem „gravierenden Schritt“ für Buxtehude, der zur „Blaupause“ für viele andere Regionen werden könnte. Aber auch die CDU signalisierte in einigen Punkten des umfangreichen Klima-Antrags Zustimmung: So zum Beispiel, dass das Ziel verbindlich für alle öffentlichen Gebäude wie Schulen und Rathaus sowie die stadteigenen Fahrzeuge gelten müsse, um so auch eine Vorbildfunktion einzunehmen.

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Probleme haben die Christdemokraten aber mit dem Passus, dass auch im privaten Sektor bis 2035 eine Klimaneutralität erreicht werden soll. Die Kommunalpolitik könne da privaten Haushalten und dem Gewerbe keine verbindlichen Ziele vorgeben, sagte CDU-Fraktionschefin Arnhild Biesenbach. Wie die Menschen heizen oder das Auto nutzen wollen, könne man nicht einfach so vorschreiben. „Zum Glück sind unsere Mittel da begrenzt“, sagte sie und plädierte eher für finanzielle Anreize, um das Klimaziel erreichen zu können. Biesenbach sagte: „Wir müssen immer auch das Machbare vor Augen halten.“

Ziel der Klimaneutralität dürfte schwer erreichbar sein

Tatsächlich aber dürfte das Ziel einer Klimaneutralität für Buxtehude nur schwer erreichbar sein, wenn man bei den rund 20.000 privaten Haushalten und vielen Gewerbebetrieben keine wesentlichen Änderungen erreicht. Das zeigt eine aktuelle Treibhausgas-Bilanz, die das Bremer Büro Beks Energieeffizienz GmbH für die Stadt nach einem bundeseinheitlichen Standardverfahren gerade errechnet hat. Grundlagen sind dafür unter anderem Daten der Stadtwerke. Dabei betrachteten die Energieexperten die Entwicklung von 2017 bis 2019. Ergebnis: Die Treibhausgas-Emissionen in Buxtehude sanken in diesem Zeitraum von 285.546 auf 252.182 Tonnen und verringerten sich damit um zwölf Prozent – was geringfügig besser als der bundesdeutsche Durchschnitt ist.

Im kommunalen Bereich, also im direkten Verantwortungsbereich der Stadt, sank dieser Wert um 20 Prozent, bei Industrie und Gewerbe zusammen auch um mehr als 30 Prozent und bei privaten Haushalten immerhin noch um 13 Prozent. Kaum eine Veränderung gab es hingegen im Verkehrssektor.

Anteil kommunaler Betriebe an Treibhausgasen nur ein Prozent

Das sieht zunächst nach einem guten Trend aus. Doch eine Ernüchterung für kommunale Klimapolitiker muss bei Betrachtung anderer Zahlen aufkommen: Und zwar wenn man, wie es das Bremer Büro gemacht hat, auch den Anteil der jeweiligen Bereiche an Treibhausgasen anschaut. Da kommt der kommunale Bereich lediglich auf ein Prozent. Verbesserungen bei öffentlichen Gebäuden in der Stadt dürften sich daher in der Gesamtbilanz nur geringfügig bemerkbar machen. Anderes hingegen bei privaten Haushalten. Ihr Anteil an klimarelevanten Buxtehuder Treibhausgasen liegt bei 38 Prozent, der hauptsächlich durch private Pkw geprägte Stadtverkehr bei 28 Prozent, die Industrie bei 24 Prozent und Handel und Gewerbe bei neun Prozent.

Der Löwenanteil der Treibhausgas-Bilanz von privaten Haushalten dürfte auf Gas-Heizungen zurückzuführen sein. So zeigt die Berechnung des Bremer Büros, dass immerhin 44 Prozent des Energieverbrauchs in der Stadt auf Erdgas beruhen, 18 Prozent hingegen auf Strom und nur noch sieben Prozent auf Heizöl. Diesel und Benzin für Kraftfahrzeuge kommen hingegen auf einen Energieverbrauchsanteil von zusammen 25 Prozent. Fazit des Büros: Gerade bei der Gebäudesanierung, der Wärmeversorgung und im Sektor Verkehr seien noch „große Anstrengungen“ nötig.

Bei der Stromproduktion aber ist Buxtehude unterdessen offensichtlich jetzt schon auf richtigem Weg zur Klimaneutralität. 65 Prozent davon wurden bereits 2019 im Stadtgebiet durch erneuerbare Energien wie Windkraft oder Photovoltaik erzeugt – zehn Prozent mehr als noch 2017.