Buchholz. Niedersächsisches Kultusministerium will Beratungsangebote stärken. Eltern sollen die Schulpsychologie mehr nutzen können.

Die Schulen bleiben voraussichtlich bis Mitte Januar geschlossen. Kinder und Jugendliche bleiben zu Hause. Besonders durch das Weihnachtsfest und die danach wieder einkehrende Normalität  können sich zum Beispiel familiäre Konflikte zuspitzen. Die Belastungen für Kinder und Jugendliche steigen. Dem Kinderschutzbund zufolge liegt das unter anderem an der Unsicherheit im Umgang mit der Situation. Junge Menschen seien außerdem stark von den Entscheidungen der Älteren abhängig. Der Kinderschutzbund fordert deshalb besonderen Schutz für Kinder und Jugendliche. Beratung und Unterstützung sei auch in einem harten Lockdown zu gewährleisten. Er möchte dazu aufrufen, bei allen Maßnahmen und Regelungen für die nächsten Wochen dafür Sorge zu tragen, Belastungen für Kinder und Jugendliche so gering wie möglich zu halten.

Lockdown: Über 60 Prozent der Jugendlichen haben Angst um ihre Zukunft

„Der Lockdown stellt Kinder und Jugendliche vor eine harte Probe“, sagt Simona Wriede vom Kinderschutzbund Kreisverband Landkreis Harburg e.V. Die Sozialpädagogin, Kinderschutzfachkraft und Präventionsmanagerin kümmert sich um Kinder, Jugendliche und ihre Eltern im Landkreis Harburg und hat schon im ersten Lockdown beobachten können, dass sich die ungewisse Situation auf die Psyche von Kindern und Eltern auswirkt. „Jetzt ist erneut alles runtergefahren und Kinder und Jugendliche dürfen wieder viele Wochen lang deutlich weniger Kontakte mit ihren Freundinnen und Freunden haben. Gleichzeitig spüren sie die Unsicherheit in der Gesellschaft, die Resignation, die sich mehr und mehr ausbreitet, je länger die Situation unter Corona anhält. Die Folge: Auch Kinder geraten in Stress.“

Denn laut Kinderschutzbund nehmen auch Kinder und Jugendliche die weithin spürbare Verunsicherung deutlich wahr. Über 60 Prozent der Jugendlichen haben Angst um ihre Zukunft. Gleichzeitig ist die Zustimmung für die Schutzmaßnahmen unter Jugendlichen, anders als oftmals dargestellt, mit über 60 Prozent hoch. Denn Kinder und Jugendliche sind angesichts der unklaren Folgewirkungen einer Infektion mit Covid-19 um ihre eigene Gesundheit besorgt, aber vor allem um das Wohlergehen ihrer Angehörigen, insbesondere ihrer Großeltern.

Hilflosigkeit, Ohnmacht und Kontrollverlust

Um als Familie gut durch die Krise zu kommen, hat der Kreisverband Landkreis Harburg gemeinsam mit der Diakonie Hamburg Ideen für ein Corona-Stress-Management in Familien erarbeitet. „Wir haben im Moment fast alles mit Gefühlen wie Hilflosigkeit, Ohnmacht oder Kontrollverlust zu tun, weil wir kaum etwas tun können, um das Geschehene zu beeinflussen“, sagt Simona Wriede. „Bei genauerem Hinsehen können wir aber doch einiges tun. Zum Beispiel gut auf uns und unsere Lieben achten, die Zuversicht behalten und Verantwortung für unser Krisenverhalten übernehmen.“

Der Rat der Experten an die Eltern: Ansprüche runterfahren, liebevoll mit sich selbst sein. Wichtig sei, dass Eltern Vertrauen fassen. „Kinder brauchen die Sicherheit, dass ihre Eltern Hoffnung auf bessere Zeiten haben“, so Wriede. Wichtig sei, sich mehr auf positive Dinge zu fokussieren, die hoffnungsfroh stimmen. „Familien können sich zum Beispiel jeden Abend zusammensetzen und berichten, was an diesem Tag trotz allem gut war.“ Gegen die Angst helfen laut Kinderschutzbund auch klare Strukturen und feste Rituale. Sie machen in dieser unüberschaubaren Zeit den Tag voraussagbar.

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Kultusminister warnt vor Folgen

Auch das Kultusministerium Niedersachsen spricht von einer „erneut sehr schwierigen Zeit für Kinder und Jugendliche. „Wir alle dürfen nicht vergessen, dass Kontakteinschränkungen gerade für junge Menschen eine enorme Belastung sind“, sagt Kultusminister Grant Hendrik Tonne. „Kinder brauchen Kontakt und Austausch, Nähe und soziale Interaktion.“ Der Wegfall von Sport im Verein, Musikunterricht, Kultur und Unterhaltung außerhalb der eigenen vier Wände kämen als Negativfaktoren dazu. „Wir sind daher gut beraten, achtsam mit den Kindern und Jugendlichen umzugehen und deren besondere Belange stärker in den Fokus zu rücken“, so Tonne.

Aus diesen Gründen will das niedersächsische Kultusministerium dafür sorgen, dass innerschulischen Beratungsangebote weiter gestärkt werden. Darüber hinaus soll die Schulpsychologie stärker für Eltern nutzbar gemacht werden, damit diese Tipps für den Umgang mit der anhaltend schwierigen Lage erhalten. Zudem sollten die Beteiligungsmöglichkeiten für Schülerinnen und Schüler ausgebaut werden. „Und für uns alle gilt, dass wir die Einwendungen, Hinweise und Nöte der Kinder und Jugendlichen ernst nehmen und hinhören müssen“, sagt Grant Hendrik Tonne. Dafür will der Kultusminister seinen Austausch mit dem Landesschülerrat noch einmal deutlich ausbauen und auch alternative Formate des Dialogs entwickeln. „Die Kinder und Jugendlichen haben in der Krise ausgezeichnet mitgezogen und ihren Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie geleistet“, so der Kultusminister. „Auch bei ihnen sollten wir uns daher häufiger bedanken, denn ein Großteil der zwingend notwendigen Maßnahme beeinträchtig vor allem ihren Alltag und ihr Leben."