Radegast. An der Elbe ist fast alles ausgebucht. Auch die Wartelisten sind gut gefüllt. Der Trend geht zum Dauercampen. Ein Besuch vor Ort.

Die ersten Anrufe kommen um kurz nach sieben Uhr morgens, die letzten abends um zehn: Während Aliena Kaspers mit Telefon am Ohr vor ihrem E-Mail-Posteingang sitzt, fährt Ehemann Erik in die Stadt: mit dem Bürgermeister letzte Details absprechen, wie das funktionieren soll mit den vorgeschriebenen Tests für die Touristen. Sohn Ilja mäht gerade noch den Rasen, da stehen schon die ersten Gäste vor dem Tor: Besuch auf dem Campingplatz von Familie Kaspers in Radegast an der Elbe.

Seit Montag dürfen wieder Touristen auf die niedersächsischen Campingplätze – und die Ersten an der Elbe waren Ursula und Klaus Hain aus der Nähe von Wolfenbüttel. Voriges Jahr hatten sie den Platz namens „Elbeling“ zufällig entdeckt. „Uns hat es so gut gefallen, dass wir auch dieses Jahr die Saison hier beginnen wollten“, erzählt Ursula. „Die Betreiber sind super nett, es ist familiär, und die Gegend ist toll zum Radfahren.“ Gebucht hatten sie daher schon seit Monaten. „Eigentlich sind wir viel in Frankreich und Ungarn unterwegs“, sagt Klaus. „Coronabedingt werden wir aber auch diesen Sommer in Norddeutschland verbringen.“

60 Prozent ihrer üblichen Kapazität zunächst nutzbar

Damit sind sie nicht allein. Zwar gibt es einige Regeln, die das Campen derzeit noch etwas unbequemer machen als sonst, aber: Die Gäste lassen sich von ihnen nicht abhalten. 60 Prozent ihrer üblichen Kapazität dürfen die Plätze zunächst nutzen. Geht es nach der Nachfrage, könnten Erik und Aliena Kaspers an Himmelfahrt und Pfingsten 200 Prozent belegen. „Die Leute wollen raus“, sagt Erik Kaspers. „Die Nachfrage ist riesig.“ Das gelte auch für die Jahres- und Saisonplätze. „Wenn ich wollte, könnte ich den gesamten Platz mit Dauercampern belegen.“ Die durften nämlich schon unabhängig von der aktuellen Öffnung auf den Platz.

Aliena und Erik Kaspers sind froh, dass sie endlich wieder öffnen dürfen. Doch mehr als 60 Prozent Auslastung ist nicht erlaubt..
Aliena und Erik Kaspers sind froh, dass sie endlich wieder öffnen dürfen. Doch mehr als 60 Prozent Auslastung ist nicht erlaubt.. © Carolin George | Carolin George

Für Saison- und Jahresplätze gibt es mittlerweile eine Warteliste. Holger und Helga Steinke sind daher froh, einen Stellplatz für ihren Wohnwagen bis inklusive September ergattert zu haben. „Wir haben früh genug angefragt“, sagt der Senior. Das Ehepaar aus Bergedorf hat den Ort vor einigen Jahren per Zufall entdeckt und kommt nun schon zum vierten Mal in Folge für längere Zeit. „Normalerweise waren wir hier zwei Monate und fuhren dann nach Spanien“, erzählt Holger Steinke. „Jetzt sind wir fünf Monate hier.“ Seine Frau ergänzt: „Wir fühlen uns hier sehr wohl und sicher. Wir sind den ganzen Tag an der frischen Luft, ganz anders als zu Hause in der Wohnung.“

Am Dienstag standen weitere Anreisen im Kalender, am Mittwoch dann der große Schwung – Himmelfahrt war längst ausgebucht. Das gleiche gilt für Pfingsten, und das, obwohl ausschließlich Touristen aus Niedersachsen erlaubt sind. Wer jetzt noch die Feiertage an der Elbe verbringen will, muss darauf hoffen, dass jemand anderes absagt.

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Nachvollziehen können Aliena und ihr Mann Erik die Regelung zwar nicht so ganz, sagt Erik: „Viele unserer Dauercamper kommen aus Hamburg. Sie dürfen schon seit Anfang des Jahres kommen, und zwar ohne Test. Das gleiche gilt für beruflich Reisende wie zum Beispiel Handwerker. Wo ist der Unterschied?“ Doch ob sie die Regeln logisch finden oder nicht, sich daran halten werden die Campingplatzbetreiber trotzdem. Und so muss Aliena am Telefon auch vielen Leuten absagen: „Es rufen Leute aus Schleswig-Holstein an, die schon lange für Pfingsten gebucht haben und kommen wollen“, erzählt sie. „Denen muss ich dann sagen: Das geht nicht.“

Wie es mit den zunächst täglich vorgeschriebenen Tests in dem kleinen Dorf an der Elbe laufen solle, darüber hatten sich die Betreiber am vergangenen Wochenende noch den Kopf zerbrochen. „Zum Glück hat sich die Regelung geändert und es sind nun doch keine täglichen Tests notwendig“, sagt Erik Kaspers. „Das wäre viel schwieriger gewesen zu organisieren.“ Gemeinsam mit dem Bürgermeister der Stadt Bleckede und der örtlichen Apotheke haben sie eine Lösung gefunden: Montags, mittwochs und sonnabends kommt ein Testteam auf den Campingplatz. „Das ist super“, sagt Erik Kaspers. „Wir sind sehr froh, dass Stadt und Apotheke das möglich machen.“ Sowohl für Kaspers als auch für die Gäste ist der Service kostenlos.

Holger und Helga Steinke aus Bergedorfhaben einen Saisonplatz.
Holger und Helga Steinke aus Bergedorfhaben einen Saisonplatz. © Carolin George | Carolin George

Ganz unterschiedlich sind die Lösungen, die die Campingplatzbetreiber in der Region für die vorgeschriebenen Tests gefunden haben. Der Platz beim Wildpark Schwarze Berge zum Beispiel profitiert vom kostenlosen Testzentrum auf dem Parkplatz des Wildparks. Dort gibt es ein Drive-In mit der Möglichkeit, online einen Termin zu reservieren. Und Norbert Kloodt am Stover Strand hat eine Halle eingerichtet, in der sich die Gäste unter Aufsicht von Mitgliedern der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) selbst testen können. Die Tests stellt der Campingplatz zum Selbstkostenpreis zur Verfügung. „Wir sind dankbar, dass nach dem Dialog der Beherbergungswirtschaft mit der Politik die Zahl der vorgeschriebenen Tests von täglich auf zwei Mal pro Woche gesenkt wurde“, sagt Kloodt, gleichzeitig Präsident des Campingverbands Niedersachsen. „Wir tun alles dafür, das Vertrauen der Politik zu rechtfertigen und dass die Inzidenzwerte weiter sinken.“

Steigt die Zahl in einer Region über 100, müssen die Campingplätze im jeweiligen Landkreis schließen. Auch hier, auf dem mit den zurzeit erlaubten 150 Plätzen für Touristen größten Campingplatz der Umgebung, ist bis Pfingsten alles ausgebucht. „Wir freuen uns, den Menschen endlich wieder die sicherste Form des Urlaubs überhaupt anbieten zu können“, sag Kloodt. „Und wir freuen uns, wenn wir ab 31. Mai wieder Gäste von außerhalb Niedersachsens begrüßen dürfen.“ Einen Wunsch hat der Branchenvertreter aber natürlich auch: „Wir hoffen, dass wir wie voriges Jahr auch bald unsere Kapazitäten wieder ausdehnen dürfen. Das brauchen wir nach der langen Phase der Schließung.“

Auch die Kaspers in Radegast sind froh, endlich in die Saison starten zu können, wenn auch mit umfangreicheren Regelungen als voriges Jahr. Warum sie nicht schon früher öffnen dürfen, hatten sie nicht nachvollziehen können – der Landkreis Lüneburg lag noch nie über 100 in der Inzidenz. Erik Kaspers hatte sich sogar schon mit Kollegen abgesprochen und wollte notfalls klagen, um endlich öffnen zu dürfen. Das ist nun nicht mehr nötig.