Holm-Seppensen. Rund 30 Ehrenamtliche engagieren sich bei den Bienenbotschaftern Holm-Seppsensen. Ihr neuester Clou: Ein Kondomautomat, der Saatguttüten spendet.
Der Standort ist perfekt gewählt. Im Zentrum von Holm-Seppensen, zwischen Supermarkt und Friseur, können die Anwohnerinnen und Anwohner neuerdings für Nachwuchs sorgen. Dort nämlich steht seit Kurzem ein Kondomautomaten, dessen Tütchen nicht der Verhütung, sondern der Vervielfältigung von Leben dienen. Statt Verhüterli beherbergt der blumig bemalte Automat Feuerbohnen, Hummelretter und Saatgutmischungen, die – ausgesät in den heimischen Gärten – dafür sorgen sollen, dass sich die Bienen und Schmetterlinge in der Region künftig so richtig satt essen und vermehren können.
Die Idee für den Saatgutautomaten stammt von den Bienenbotschaftern Holm-Seppensen. Deren Gründerin Bärbel Schmidt und ihre Mitstreiter haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Menschen in der Region über das Insektensterben aufzuklären und gemeinsam mit ihnen etwas für den Erhalt der Artenvielfalt zu tun. „Wir wollen ein Bewusstsein dafür schaffen, wie wichtig es ist, Lebensraum und Nahrungsangebot für Bienen und Schmetterlinge zu erhalten“, sagt Bärbel Schmidt. „Ohne Insekten reduziert sich die heimische Artenvielfalt deutlich. Denn viele Pflanzen werden nur von bestimmten Insekten angeflogen und bestäubt. Sind diese ausgestorben, gehen auch die Pflanzen unwiederbringlich verloren.“ Bärbel Schmidt, die als Imkerin 30 Völker betreut, glaubt nicht daran, dass in absehbarer Zukunft die Politik die notwendigen Schritte einleiten wird. „Also müssen wir das Feld von hinten aufrollen“, sagt sie.
Bienenschutz fängt für jeden vor der eigenen Haustür an
Von hinten, das bedeutet an der Basis anzufangen, bei den Kindern und Familien im Ort und vor der eigenen Haustür. Seit 2018 ist die 57-Jährige unermüdlich im Einsatz für den Bienenschutz in der Region, besucht mit ihren Mitstreitern regelmäßig die Grundschüler der Mühlenschule sowie die ansässigen Kindergärten und erzählt ihnen etwas über Honig- und Wildbienen, aber auch über andere Insekten und ihre Rolle bei der Bestäubung von blühenden Pflanzen. Im vergangenen Jahr rief Bärbel Schmidt zudem eine Imker-AG an der Mühlenschule ins Leben. „Wir wollen in unserem eigenen direkten Umfeld die Menschen dafür sensibilisieren, dass es so nicht weitergehen kann und aufzeigen, was jeder in seinen eigenen Möglichkeiten tun kann, dass eine möglichst große Anzahl blütenbesuchender Insekten eine Heimat und genug Nahrung findet“, sagt sie. „Wenn wir bei den Kindern Begeisterung wecken und diese ihren Eltern erklären, dass sie auch gerne noch ein schönes Leben haben wollen, ist dies ein Schritt – wenn auch nur ein kleiner.“
Inzwischen sind auf diesem Wege mehr als 30 Aktive zusammengekommen, die sich unter dem Dach der Bienenbotschafter engagieren.
30 Aktive legen inzwischen gemeinsam Blühwiesen an und setzen Blumenzwiebeln
Sie legen Blühwiesen an und setzen Blumenzwiebeln im Ort. Sie verteilen Flyer und halten Vorträge. Inzwischen kümmern sich die Ehrenamtlichen um rund 1000 Quadratmeter städtische Fläche, treffen sich im Frühjahr zum Mähen und Harken, verteilen Saatgut und stellen vor Ort Nisthilfen für Wildbienen auf, die in mühevoller Handarbeit gebaut werden. Sie pflanzen Bäume und hängen Starenkästen auf, zählen Schmetterlinge für das Tagfalter-Monitoring und reichern die eigenen Gärten beim jährlichen Staudentausch mit neuen Pflanzen an. Wo immer sie eine Möglichkeit finden, öffentlichen Grund insektenfreundlicher zu gestalten, greifen sie der Stadtverwaltung in Buchholz unter die Arme und bieten ihre Hilfe an. 20.000 Blumenzwiebeln kamen auf diese Weise inzwischen in die öffentlichen Beete. Sieben „Bienenhotels“ wurden aufgestellt – zuletzt zwei auf dem städtischen Friedhof.
Für die Befüllung der beiden Nisthilfen ist Dirk Kruk verantwortlich. Kruk ist 65 Jahre alt, ehemaliger Lokführer und Vater einer Tochter. Er ist ein Naturbursche durch und durch, sein Garten ein Paradies für Insekten, für Vögel, Nagetiere, Igel und Schlangen. Doch weil Kruk weiß, dass es viel mehr solcher Lebensräume geben muss, hat er sich 2018 den Bienenbotschaftern angeschlossen.
Das Projekt wird mit Saatgutspenden und auch finanziell unterstützt
Seitdem kümmert er sich um den Bau und das Aufstellen von Nisthilfen im Zusammenhang mit den Bienenbotschafter-Aktionen. Tausende von Löcher hat er in den vergangenen Jahren in Hartholzstämme gebohrt. Wie viel Zeit er in das Ehrenamt steckt? Kruk lächelt, fährt sich mit der Hand durch seinen weißen Bart. „Darüber“, sagt er, „habe ich noch nie nachgedacht. Ich möchte der Welt etwas zurückgeben – denn ich hatte selbst bislang ein verdammt gutes Leben.“ Wenn jeder nur einen Quadratmeter in seinem Garten unordentlich ließe, hätte man schon gewonnen.
Unterstützt wird das Projekt durch Saatgutspenden des Netzwerks „Blühende Landschaften“ sowie durch Gelder aus den Fördertöpfen des „Buchholzer Klimaforums“. Dennoch wünschen sich die Bienenbotschafter mehr Einsatz seitens der Kommune. „Die Stadt muss dafür sorgen, dass die in Bebauungsplänen festgelegten Pflanzpläne einheimischer Pflanzen auch eingehalten werden“, sagt Bärbel Schmidt. „Für die Kontrolle muss Personal vorhanden sein.“ Zudem müssten Ausgleichsflächen, die dem ökologischen Ausgleich von neu bebauten Flächen dienen sollen, auch als solche angelegt und gepflegt werden. „Sie müssen ökologisch aufgewertet werden“, so die Bienenbotschafterin. „Wir tun das gerne. Aber alleine schaffen wir das nicht.“