Buxtehude/Lüneburg. Und alles auf Anfang: Niedersachsen überrascht ausgewählte Kommunen mit neuer Einschätzung. Warum aus dem Projekt nichts wird.
In Lüneburg hatten bereits 40 Betriebe ihre Teilnahme angekündigt und auch in Buxtehude gab es etliche Zusagen von Gastronomen und Einzelhändlern: In den beiden Hansestädten im Süden Hamburgs hat man sich eben auf den angekündigten niedersächsischen Modellversuch für mehr Lockerungsmöglichkeiten in der Corona-Pandemie sehr schnell eingestellt, nachdem beide Kommunen vom Land dafür erst vor rund einer Woche ausgewählt worden waren. Zuletzt sollte der Start des Versuchs spätestens Ende dieser Woche erfolgen. Doch daraus wird nun nichts.
Dann kam am Sonntag das plötzliche Aus, der Modellversuch mit umfangreichen Schnelltests und elektronischer Kontaktverfolgung soll zunächst doch wieder ausgesetzt werden, hieß es in Hannover. Niedersachsens Gesundheitsministerin Daniela Behrens begründete diesen Schritt damit, dass man jetzt eine mögliche bundeseinheitliche Regelung zur Bekämpfung der Pandemie abwarten wolle.
Landregierung verweist auf neue Bundesregelungen
So ist derzeit im Gespräch, ob durch ein verschärftes Bundesinfektionsschutzgesetz ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner generell Verschärfungen in Kraft treten sollen. Noch ist darüber nicht entschieden, eine solche bundeseinheitliche Regelung ist zwischen Bund, Ländern und kommunalen Verbänden zudem umstritten. „Es gilt zu klären, was passiert, wenn Modellkommunen über die 100-Inzidenz wachsen“, argumentiert die Gesundheitsministerin jetzt. Und vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens sei diese Frage nicht zuverlässig zu beantworten.
Lesen Sie auch:
- Corona-Modellstadt: Das lange Warten auf den Startschuss
- Kleine Freiheit in der Corona-Krise für zwei Hansestädte
Tatsächlich ist die Lage dadurch etwas verworren. Ab einer Inzidenz von 100 und aufwärts gilt schon jetzt, dass dann die „Notbremse“ in betroffenen Landkreisen gezogen werden muss. In dem niedersächsischen Modellversuch sollte dieser Höchstwert jedoch auf 200 angehoben werden. Ganz einfach deshalb, weil man vermutet, dass durch viele zusätzliche Tests auch die Zahl der bestätigten Infektionen höher als normal ausfallen könnte, weil mehr unerkannte Fälle entdeckt würden.
In Buxtehude herrscht Enttäuschung und Überraschung
Lüneburgs Bürgermeister Ulrich Mädge rief in einer ersten Reaktion dazu auf, kostenlose Testangebote jetzt auch ohne den Versuch verstärkt zu nutzen. Enttäuschung gab es unterdessen in Buxtehude: „Wir müssen jetzt leider wieder warten“, sagt etwa Fabian Stackmann, Geschäftsführer des gleichnamigen großen Kaufhauses in der Stadt. Stackmann habe den Versuch begrüßt, weil man so mit Tests bei Kunden und Mitarbeitern ein sicheres Einkaufen ermöglichen könnte.
Und auch in der Buxtehuder Stadtverwaltung wurde man wohl überrumpelt: „Wir sind schon von der Nachricht überrascht worden, zumal wir uns nur einen Tag vorher abgestimmt hatten“, sagte Buxtehudes parteilose Bürgermeisterin Katja Oldenburg-Schmidt. Sie könne auch den Frust vieler Gastronomen und Einzelhändler verstehen, mit denen die Stadt schon konkrete Vereinbarungen für diesen Versuch getroffen habe. „Doch da gibt es auch zwei Herzen in meiner Brust“, so Oldenburg-Schmidt. Angesichts einer Verschärfung der Pandemie könne sie diese Entscheidung aber auch nachvollziehen.
Landkreis Stade steigt Inzidenz nach Corona-Ausbruch in Firma
Und im Fall Buxtehudes hat die 100-Inzidenz über das Wochenende zudem neue Brisanz gewonnen. So wurden vom Land insgesamt nur zwölf Kommunen ausgewählt, die nicht nur ein gutes Schnell-Testkonzept vorlegen konnten, ihre Inzidenzwerte mussten eben auch eher niedrig sein. Doch im Landkreis Stade, zu dem Buxtehude gehört, schnellte der Wert am Sonntag auf 113 hoch und lag auch am Montag noch bei 112 – während der Wert im benachbarten Landkreis Harburg seit Tagen um die 60 pendelt. Ob jetzt im Landkreis Stade Kitas wieder in den Notbetrieb gehen und das derzeit gültige Termin-Shopping („click & meet“) untersagt wird, will die Landkreisverwaltung am Dienstagnachmittag entscheiden, sagte die zuständige Dezernentin Nicole Streitz.
Hintergrund dieser hohen Zahl seien Ausbrüche bei verschiedenen Unternehmen und einer Personalvermittlung, die möglicherweise in Zusammenhang stehen. Betroffen ist eine Fleischfabrik in Buxtehude, ein Versandbetrieb ebenfalls in Buxtehude sowie ein größeres Logistik-Unternehmen in der Nähe von Buxtehude. 52 Infektionen seien diesen Unternehmen bisher direkt zuzuordnen, weitere Test sollen aber noch folgen.