Landkreis Harburg. Betreiber Stubbenhof schließt Einrichtungen in Klecken, Jesteburg und Buchholz – 103 Bewohner und 80 Mitarbeiter sind betroffen.

Sie könnte heulen. Aber sie hält die Tränen zurück. Anneliese M. hätte nicht damit gerechnet, dass sie noch einmal auf ihre alten Tage umziehen muss. Abschied nehmen von der vertrauten Umgebung, den Menschen, die sie lieb gewonnen hat. Schließlich ist sie 88 Jahre alt. Vor fünf Jahren zog die Wilhelmsburgerin ins Seniorenheim Haus Klecken in Rosengarten. Hier wollte sie ihren Lebensabend verbringen.

Jetzt ist die alte Dame gezwungen, noch einmal ihr Zuhause zu wechseln. Der Seniorenheimbetreiber Stubbenhof Betriebs GmbH schließt zum 31. August das Haus Klecken sowie zwei weitere Einrichtungen in Buchholz und Jesteburg. Insgesamt sind 103 Bewohner und 80 Mitarbeiter betroffen.

Weiterer Betrieb der Heime ist laut Betreiber nicht mehr wirtschaftlich

„Wir bedauern diese Entscheidung sehr, sind jedoch gezwungen, die Heime zu schließen, weil wir den Betrieb nicht wirtschaftlich fortführen können“, sagt Geschäftsführer Marco Wiencke. „Kleine Einrichtungen wie unsere rechnen sich einfach nicht mehr, da es zu teuer ist, einen großen Personalstamm vorzuhalten.“ Diesen brauche man jedoch, um schnell Ersatz zu schaffen, wenn ein Mitarbeiter ausfalle. „Wir müssen personelle Engpässe durch Zeitarbeit ausgleichen. Das kostet deutlich mehr, als eigenes Personal.“ Bereits vor Ausbruch der Corona-Pandemie habe dem Unternehmen das Wasser bis zum Hals gestanden. „Die Pandemie hat uns dann den Rest gegeben“, sagt Wiencke.

Der Personalaufwand habe sich durch zusätzliche Aufgaben wie das Testen erhöht. Darüber hinaus sei der Krankenstand bei den Mitarbeitern gestiegen. „Wir haben penibel darauf geachtet, dass unsere Mitarbeiter beim kleinsten Schnupfen zuhause geblieben sind“, sagt Marco Wiencke. „Denn wir wollten auf keinen Fall riskieren, dass unsere Bewohner an Corona schwer erkranken.“ Alle drei Heime und ihre Bewohner seien gut durch die Pandemie gekommen. Doch man sei eben finanziell an die Belastungsgrenze gestoßen. „Die steigenden Kosten haben unsere Rücklagen aufgebraucht“, so Wiencke, der die Schließung für alle Beteiligten als „unglaublich hart“ bezeichnet. „Unsere Bewohner sind bei uns eingezogen, in dem Glauben, dass dies der letzte Umzug gewesen sei. Jetzt müssen wir allen zumuten, noch einmal umzuziehen.“

Verhandlungen mit Eigentümer eines Gebäudes in Neu Wulmstorf sind gescheitert

Gern hätte Wiencke den Betrieb der drei Seniorenheime künftig unter einem Dach weitergeführt – auch, um Ressourcen und damit Kosten zu sparen. Eine passende Immobilie glaubte er in Neu Wulmstorf gefunden zu haben. Dort wurde Ende Mai die Seniorenpflegeeinrichtung „Haus am Marktplatz“ geschlossen. Das Gebäude steht seitdem leer. „Wir haben versucht, mit dem Vermieter Kontakt aufzunehmen“, sagt Wiencke. „Doch leider gab es keine Reaktion.“ Auch die Verhandlungen mit anderen Betreibern, die die Stubbenhof-Einrichtungen im Landkreis übernehmen wollten, seien gescheitert. „Als die Interessenten feststellen mussten, dass sich die Häuser nicht so umbauen lassen, dass mehr Kapazitäten entstehen, sind sie wieder abgesprungen“, so Wiencke.

Für die Mitarbeiter, Bewohner und ihre Angehörigen war die Nachricht über die Schließungen ein Schock. „Viele haben geweint“, sagt Pflegedienstleiterin Nicole Illies. „Viele waren in Sorge, wie es weitergehen wird.“ Um schnell Klarheit zu schaffen, griff die Chefin des Haus’ Klecken noch am Tag der Verkündigung zum Telefon, nahm Kontakt zu Pflegeheimen in der Region auf. Innerhalb weniger Tage hatte sie alle 31 Bewohner und ihre 18 Mitarbeiter in anderen Häusern untergebracht.

Kleine Heime haben es zunehmend schwer, am Markt zu bestehen

Und dennoch fällt der Abschied schwer. „Für uns bricht eine Welt zusammen“, sagt eine Mitarbeiterin. „Wir sind mit den Bewohnern wie eine große Familie.“ Bewohnerin Anneliese M. nickt betroffen. „Es ist schade, dass es hier nicht weitergeht“, sagt sie. Auch Nicole Illies ist traurig darüber, das Haus in Klecken aufgeben zu müssen. „Ein so kleines Haus wie das unsere ist schon etwas besonderes“, sagt sie. „Wir haben als Team ein tolles Wir-Gefühl und im Haus eine große Nähe zu den Bewohnern.“ So etwas sei extrem wichtig für die alten Menschen.

Auch Helmut Kneppe vom Kuratorium Deutsche Altershilfe Wilhelmine-Lübke-Stiftung e.V. bedauert, dass immer mehr kleine Heime schließen müssen. „Gerade kleine Einrichtungen zeigen oft ein hohes Engagement, das Recht auf Teilhabe und ein Leben in Würde ihren Bewohnerinnen und Bewohnern zu ermöglichen“, sagt der Vorstandsvorsitzende. „Diesen Umstand sollten wir zum Anlass nehmen, nicht nur über Korrekturen bei der Pflege nachzudenken, sondern ganz grundsätzlich zu fragen: Was können wir als Gesellschaft angesichts der Herausforderungen der demografischen Entwicklung im Umgang mit dem Altern besser machen, damit gehandicapte, ältere oder auch Menschen mit Demenz in unserer Mitte leben können.“