Hittfeld. Schauspieler, Unternehmer und Zuhälter waren laut Betreiberin zu Gast. Welche Veränderungen in Hittfeld noch anstehen.
Rot gestrichene Wände umgeben die Besucher im Rossini, auf dunklen Holztischen stehen große, silberne Kerzenleuchter, an der Decke hängen funkelnde Kronleuchter. Oben, auf der zweiten Ebene, weist eine knallrote, halbe Vespa den Weg ins Hinterzimmer, die Lounge. Dort erinnern zahlreiche Schwarz-Weiß-Fotografien an Größen des italienischen Filmgeschäfts.
Mit viel Liebe zum Detail hat Julia Kissmann ihr Restaurant in Hittfeld in eine Raum gewordene Hommage an die italienische Lebensart verwandelt. Nach 19 Jahren begrüßt sie an diesem Donnerstag zum letzten Mal ihre Gäste zum gemeinsamen Essen, das Haus ist noch einmal ausgebucht. Danach ist das Rossini Geschichte.
Restaurant Hittfeld: Promi-Italiener Rossino schließt
„Für mich und Hittfeld geht dann eine fast 20-jährige Ära zu Ende“, sagt die Restaurantchefin. Beim Gespräch Anfang dieser Woche ist das Restaurant am Nachmittag noch leer, im Hintergrund singt Gianna Nannini. Julia Kissmann sitzt auf einem Barhocker und erzählt, warum sie hier bald alles ausräumen wird. Zwischendurch klingelt das Telefon, offenbar eine Stammkundin, die das Aus sehr bedauert.
Sie erhalte sehr viele solcher Rückmeldungen, sagt die Gastronomin. „Das ist ein unglaublicher Zuspruch.“ Sie ist seit langem bekannt in der Region, mit ihrem damaligen Mann hatte sie bereits ein italienisches Restaurant in Stelle betrieben, bevor sie 2002 gemeinsam das Rossini eröffneten. Seit zehn Jahren ist die Mutter eines 24-jährigen Sohnes hier alleinige Chefin.
In all den Jahren hat die heute 49-Jährige auch viele prominente Gesichter in ihrem Restaurant begrüßt. Stefan Gwildis war da und natürlich Dieter Bohlen, der regelmäßige auch seine „DSDS“-Kandidaten mitbrachte. Einmal sei er mit Helene Fischer gekommen, erzählt Julia Kissmann. „Die haben wir erst nicht erkannt, sie war so unauffällig und ist auch ziemlich klein.“
Rossini: Schauspieler, Unternehmer und Zuhälter zu Gast
Die Erinnerung an ihre Gäste zählt jedenfalls zum Wichtigsten, was sie mitnehmen wird. Sie habe immer gern die Menschen zusammengebracht, sagt Julia Kissmann. „Hier war ja alles vertreten, vom Schauspieler über den Unternehmer bis zum Zuhälter, auch mal alle an einem Tisch. Wir haben diese Menschen begleitet, mit ihnen Hochzeiten und Geburtstage gefeiert.
So sind auch Freundschaften entstanden.“ Mindestens ebenso liegen ihr ihre überwiegend italienischen Mitarbeiter am Herzen, einige begleiten sie seit zwei Jahrzehnten. Jeder sei ein ganz besonderer Charakter, sagt Julia Kissmann. „Diese Besonderheit war unser Konzept. Ich hatte das beste Team, das ich haben konnte.“ Es tue ihr im Herzen weh, dass die Mitarbeiter sich nun neue Jobs suchen müssten.
Dass sie jetzt aufhört, liege nicht an der Corona-Pandemie, betont sie. „Das war für uns gar kein Thema.“ Die beantragten Hilfen flossen schnell, die 13 fest angestellten Mitarbeiten gingen in Kurzarbeit, beides zusammen bedeutete eine ausreichende finanzielle Entlastung für den Betrieb. Doch der Mietvertrag, den sie noch mit dem Vater des jetzigen Eigentümers abgeschlossen hatte, lief aus. Mehrere Versuche, sich auf einen neuen Vertrag zu einigen, seien fehlgeschlagen, sagt Julia Kissmann. Jetzt müsse sie nicht nur alle Räume leer räumen, sondern auch den per Sondergenehmigung errichteten Küchenanbau abreißen.
Hittfelder Gastronom hat Pläne für neues Restaurant
Für die Zukunft des Hauses gibt es bereits Pläne. Der Gastronom Reinhold Richter, der in Hittfeld das Café Lagom betreibt, will an dieser Stelle ein neues Restaurant eröffnen. Dafür hat er sich mit einem Partner aus Hamburg zusammengetan: Giovanni Xhaka ist Betreiber des Restaurant Giovanni auf St. Pauli und ein alter Bekannter des Hittfelder Café-Inhabers, der selbst viele Jahre in der Clubszene Hamburgs tätig war.
Bereits im Herbst hätten sie den Mietvertrag vereinbart, sagt Richter. Voraussichtlich im April wollen sie das neue Restaurant eröffnen, auch nach Umbau und Modernisierung soll es hier italienisch zugehen. „Es wird bodenständig-italienisch-cool“, beschreibt der 44-Jährige das Konzept. Ein Schwerpunkt soll auf guten Weinen und anderen Getränken liegen. Trotz der unsicheren Lage aufgrund der Pandemie hätten sie sich für die Investition entschieden. „Wir gehen davon aus, dass die Situation irgendwann wieder normal wird.“
Restaurant Derboven nahe der Wassermühle Karoxbostel hat geschlossen
Auch an anderer Stelle gibt es Veränderungen in der regionalen Gastronomieszene. Das Restaurant Derboven an der Karoxbosteler Chaussee hat Ende Dezember geschlossen. „Wir gehen in den wohlverdienten Ruhestand und bedanken uns für Ihre Treue und Verbundenheit und über Jahrzehnte entgegengebrachtes Vertrauen“, verabschiedet sich die Betreiberfamilie auf Facebook. „Mit Freude haben wir Festlichkeiten jeglicher Art für Sie ausgerichtet, kleine und große Feiern durchgeführt und für Sie gekocht. Dies alles wird uns fehlen und wir werden den persönlichen Kontakt vermissen.“ Eigentlich hätten sie sich gewünscht, ihre Gäste bei einem großen Empfang noch ein letztes Mal bewirten zu dürfen. Dies sei wegen der Beschränkungen der Pandemie leider nicht möglich. Stattdessen wollen sie Geld für den Kinderschutzbund spenden.
Gute Nachrichten kommen dagegen aus dem Hotel und Restaurant Zur Linde an der Lindhorster Straße. Auch hier hatte es Gerüchte um eine Schließung gegeben, die Betreiber Karsten Sponagel-Becker jedoch entkräftet. „Wir schließen nicht und es wird sich hier nichts ändern.“ Zuletzt seien lediglich zwei Ruhetag pro Woche eingeführt worden. Sobald ausreichend Personal gefunden sei, sollen die Türen aber wieder täglich geöffnet sein. Auch finanzielle Probleme gebe es nicht, betont der Chef. „Wir sind wunderbar aufgestellt.“
Planungen für Hundertjährigen gehen voran, so Gastronom Tim Becker
Auch für die Zukunft des Traditionsgasthauses Zum Hundertjährigen im Hittfelder Zentrum gibt es positive Anzeichen. Das Areal wird von der Projektgesellschaft May & Co. neu überplant, das denkmalgeschützte Ensemble soll umfangreich umgebaut werden. Der Hamburger Gastronom Tim Becker wird den gastronomischen Betrieb übernehmen. „Die Planungen laufen erfolgreich weiter“, sagt Becker auf Anfrage des Abendblatts. In Kürze solle ein Zeitplan vorgestellt werden. Ziel sei es, in diesem oder im kommenden Jahr zu eröffnen.
Im Rossini ist die Zeit dagegen abgelaufen. Auch wenn Julia Kissmann die Umstände bedauert – sie schließt ihr Restaurant ohne Groll. „Ich gehe wirklich mit einem lachenden und einem weinenden Auge. So traurig und schmerzhaft das Ende für mich war, es ist vielleicht auch eine Chance für einen Neuanfang.“ Die gelernte Industriekauffrau verlässt die Gastronomie und wird künftig in Hittfeld als selbstständige Immobilienmaklerin arbeiten. „Da werde ich auch viel mit Menschen zu tun haben, das mag ich am liebsten.“
Am Freitag wird sie noch einmal die Restauranttüren öffnen, dann werden Kleinigkeiten aus der Einrichtung, wie Bilder und andere Dekoration, verkauft. Danach beginnt der Rückbau und das große Ausräumen. Zum Schluss kommen die Maler. Nach drei Wochen wird das einstige Rossini nur noch ein leeres Haus mit weißen Wänden sein.