Im Kampf gegen die ausufernde Finanzkrise hat die US-Regierung ein Rettungspaket in nie dagewesenem Ausmaß für die notleidende Finanzbranche angekündigt. Präsident George W. Bush nannte das Programm “unerlässlich“.

Finanzminister Henry Paulson erklärte, es werde hunderte Milliarden Dollar umfassen. Die US-Finanzinstitute sollen unter massiven Einsatz von Steuergeldern von der Last fauler Kredite befreit werden. Die schwer gebeutelten Börsen feierten die Auffanglösung am Freitag weltweit mit einem Kursfeuerwerk, Anleger reagierten erleichtert. Experten warnten vor den hohen Risiken für den US-Haushalt. Die Steuerzahler könnte diese Lösung teuer zu stehen kommen. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) lobte ausdrücklich das amerikanische Krisenmanagement.

"Die amerikanische Wirtschaft steht vor beispiellosen Herausforderungen. Wir antworten mit beispiellosen Maßnahmen", sagte Bush. Das Rettungspaket sei nicht nur "berechtigt, es ist unerlässlich". Es gelte, so rasch wie möglich das Vertrauen in "unsere Märkte und Finanzinstitutionen wiederherzustellen". Mit dem Rettungspaket reagiert die US-Regierung auf die Folgen der US- Immobilienkrise, die weltweit die Finanzmärkte erschüttert und eine Welle von Fusionen und Zusammenbrüchen von Investmentbanken, Versicherern und anderen Finanzhäusern ausgelöst hatte.

Finanzminister Paulson kündigte an, er wolle während des Wochenendes mit dem US-Kongress an entsprechenden Gesetzesvorlagen arbeiten. Die Entwürfe sollen bereits in der nächsten Woche verabschiedet werden. Bush und Paulson räumten aber ein Risiko für die Steuerzahler ein. "Ich bin überzeugt, dass dieser kühne Ansatz amerikanische Familien weit weniger kostet als die Alternative: weitere Zusammenbrüche von Finanzinstitutionen und ein eingefrorener Kreditmarkt, der Wirtschaftswachstum nicht mehr finanzieren kann", sagte Paulson. Bush zeigte sich zugleich überzeugt, dass die eingesetzten Mittel zurückfließen würden.

Die Börsen reagierten nach schweren Verlusten an den Vorträgen weltweit mit kräftigen Kurssprüngen. In London, Paris und Hongkong legten die Kurse um fast zehn Prozent zu. Der Deutsche Aktienindex DAX stieg um 5,56 Prozent auf 6189,53 Punkte. Der US-Leitindex Dow Jones kletterte im frühen Handel um 2,7 Prozent auf 11 315 Punkte. Vor allem die zuletzt gebeutelten Finanzwerte schnellten im DAX teilweise über 20 Prozent in die Höhe.

In einem ersten Schritt richtet die US-Regierung eine Einlagensicherung für Geldmarktfonds ein. Sie solle die zuletzt massiv gestiegenen Abflüsse aus diesen Fonds begrenzen. Dazu sollen bis zu 50 Milliarden Dollar bereitgestellt werden, teilte das US- Finanzministerium mit. Der Markt dieser Anlageform ist Expertenschätzungen zufolge mehrere Billionen Euro schwer. Anleger hatten ihr Geld aus Angst vor Wertverlusten in großem Stil abgezogen, obwohl diese Fonds bislang als vergleichsweise sicher gelten. Die Flucht auch aus diesen Papieren zeigt Marktbeobachtern zufolge das Ausmaß der Vertrauenskrise.

EZB-Präsident Jean-Claude Trichet begrüßte die ersten Schritte. Was bisher bekanntgegeben wurde, sei sicher willkommen, bestätigte am Freitag eine Sprecherin der Europäischen Zentralbank (EZB). Steinbrück (SPD) lobte das schnelle Handeln der wichtigsten Zentralbanken. Ohne dieses Krisenmanagement wären erheblich schlimmere Auswirkungen auf die Weltwirtschaft zu befürchten gewesen, machte der Minister deutlich. Das Krisenmanagement habe "bisher einigermaßen geklappt.

Paulson kündigte als weitere Schritte an, dass die größten US- Hypothekenfinanzierer Freddie Mac und Fannie Mae, die unlängst von der US-Regierung übernommen worden waren, den Aufkauf von hypothekenbesicherten Wertpapieren ausweiten. Einen ähnlichen Schritt plane auch das Finanzministerium. Dadurch sollen Hauskredite wieder leichter verfügbar und besser zu finanzieren sein.

"Wir müssen das tun. Der Immobilienmarkt ist die Wurzel der Probleme unserer Wirtschaft und unseres Finanzsystems", sagte Paulson. "Solange wir keine Stabilisierung im Immobiliensektor erreichen, bekommen wir auch keine Stabilität auf den Finanzmärkten."

Das angekündigte Rettungspaket stellt nach Einschätzung von Bankenexperten und Volkswirten ein hohes Risiko für den US-Haushalt dar und könnte die Steuerzahler teuer zu stehen kommen. "Dem Steuerzahler droht für diese große Lösung eine erhebliche Rechnung", sagte Commerzbank-Experte Bernd Weidensteiner. "Der US-Finanzminister holt zum großen Schlag aus, um die Eskalation der Finanzmarktkrise zu stoppen." Sollten die notleidenden Papiere am Ende weiter an Wert verlieren oder gar völlig ausfallen, müsste der Steuerzahler die Verluste tragen.

Wegen der Turbulenzen auf den Finanzmärkten haben Aufsichtsbehörden in den USA und Großbritannien am Freitag bestimmte Börsenwetten auf fallende Kurse befristet verboten. Die US- Börsenaufsicht SEC untersagte ab sofort die umstrittenen Aktiengeschäfte, sogenannte Leerverkäufe, für knapp 800 Titel der Finanzbranche. In Großbritannien gilt das Verbot allgemein für Finanzwerte. Es trifft besonders Hedge-Fonds und andere Börsenspekulanten, die mit fallenden Kursen enorme Summen verdienten. Die Leerverkäufe stellen ein immenses Milliardenvolumen dar. Zahlreiche Unternehmen mit stark abgestürzten Börsenwerten beklagen, sie seien durch diese Aktiengeschäfte bewusst an den Rand des Abgrunds getrieben worden.