Torgelow/Wolgast. Das Mädchen starb laut Polizei, weil der Stiefvater es verletzte und dann keine Hilfe holte. 1000 Euro Belohnung für Hinweise.
Der Stiefvater des getöteten Mädchens aus Torgelow (Kreis Vorpommern-Greifswald), David Hedtke (27), ist weiter auf der Flucht und zur Öffentlichkeitsfahndung ausgerufen worden. Am Sonnabend lobte die Polizei zudem 1000 Euro Belohnung für Hinweise aus, die zur Festnahme von Hedtke führen
Wie Polizeisprecherin Nicole Buchfink sagte, wurden in der Nacht zum Freitag mehrere Wohnungen in Wolgast und Umgebung durchsucht, allerdings noch ohne Erfolg. Es gebe laufend Hinweise auf mögliche Aufenthaltsorte des mutmaßlichen Mörders, der Montagabend bei der Vernehmung aus dem Polizeirevier floh und seitdem unauffindbar ist. Das Amtsgericht Pasewalk erließ am Donnerstag Haftbefehl. Die Polizei gab Fahndungsfotos des Gesuchten heraus und bittet um Mithilfe.
Dem Lebensgefährten der Mutter des Opfers wird Mord durch Unterlassen vorgeworfen. Laut Staatsanwaltschaft soll er die Sechsjährige derart misshandelt haben, dass sie am 12. Januar in der Wohnung der Familie an den schweren Verletzungen starb. Der 27-Jährige habe keine Hilfe geholt, um seine Gewalttat zu vertuschen. Später habe er zudem vorgegeben, das Kind sei die Treppe hinuntergestürzt. Auch die Mutter ist inzwischen in den Blick der Strafverfolgung gerückt: Gegen sie wird wegen des Verdachts der unterlassenen Hilfeleistung ermittelt.
Polizei warnt vor Lynchjustiz
Die Polizei bedauerte die Flucht des Verdächtigen: "Das hätte nicht passieren dürfen", erklärte Buchfink. Als der 27-Jährige nach der Vernehmung am 14. Januar in den Gewahrsamsbereich geführt wurde, nutzte er im Flur des Polizeihauptreviers Pasewalk einen winzigen Moment der Unachtsamkeit und nahm die Beine in die Hand. Mehrere Beamte verfolgten ihn, konnten ihn jedoch nicht einholen und gaben auf, als der Sichtkontakt abgebrochen war. Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) hatte die Flucht scharf kritisiert und eine Erklärung verlangt
Der Gesuchte ist 185 Zentimeter groß, sehr dünn, hat extrem große Hände und lange Finger und ein schmales Gesicht. Ein Oberlippenpiercing links hat er entfernt, so dass ein Loch sichtbar ist. Er hat eine auffällige Tätowierung am linken Unterarm. Bekleidet war er mit einer dunkelblauen Strickwollmütze mit Bommel, einer leichten graublauen Kapuzenjacke mit einem dunkelblauen breiten Streifen im Bauchbereich, einer blauen Adidas Hose mit feinem weißen Streifen an den Nähten der Hosenbeine und weißen Adidas-Schuhen mit drei hervorgehobenen Streifen an der Seite. Die Polizei bittet um sachdienliche Hinweise zur Ergreifung des Mannes unter dem Polizeinotruf 110 und warnt vor Selbstjustiz. In den sozialen Medien seien bereits vor dem richterlichen Erlass der Öffentlichkeitsfahndung ungepixelte Bilder des mutmaßlichen Täters veröffentlicht worden.
Er soll auch den kleinen Bruder seines Opfers misshandelt haben
Inzwischen wurde bekannt, dass er auch den jüngeren Bruder des getöteten Mädchens misshandelt haben soll, der am Montag vom Jugendamt zum leiblichen Vater gebracht wurde. Gegen die Mutter der beiden Kinder, die mit einem Baby in eine Mutter-Kind-Einrichtung gebracht wurde, wird wegen des Verdachts der unterlassenen Hilfeleistung ermittelt.
Der Landrat des Kreises Vorpommern-Greifswald, Michael Sack (CDU), hat den Angehörigen des Opfers sein Bedauern ausgedrückt. Er rief dazu auf, nicht wegzuschauen oder wegzuhören. "Sollten Sie Zeuge von Geschehnissen werden, die auf eine mögliche Gefährdung des Kindeswohls hindeuten, zögern Sie nicht, den Notruf 112 zu wählen", erläuterte Sack in einer Mitteilung. Grundsätzlich gelte die Regel: Lieber ein Hinweis zu viel als einer zu wenig.
Das Jugendamt hatte die Familie im Februar 2018 – damals hatten sich die Eltern getrennt und die Mutter lebte mit dem neuen Lebensgefährten noch in Wolgast – nach einem Hinweis überprüft, aber keine Anhaltspunkte für Misshandlungen gefunden. Am 22. Januar ist in Torgelow eine Trauerstunde in der evangelischen Kirche geplant.