Hamburg. Neben der Strecke feierten 700.000 Hamburger ein fröhliches Fest. 10.010 von 14.000 Läufern schafften es ins Ziel.
Die Dudelsackbläser heizen den Läufern kurz vor der Reeperbahn mit ihren schrillen Tönen mächtig ein. Früher wurden in den schottischen Berglandschaften mit dieser Musik, so heißt es, sogar Kriegsgegner in die Flucht geschlagen. Heute sollen die schrägen Pfeiflaute den 14.000 Läufern Beine machen. Die fünf Musiker schlagen sozusagen die Auftakt-Akkorde am Anfang einer 42,195 Kilometer langen Partyzone mit 700.000 Hamburgern in Feierlaune bei sonnigen Temperaturen.
„Die Stimmung in Hamburg ist immer wieder grandios“, sagt Gitte. Die Dänin ist aus Aarhus an die Elbe gereist, um hier zum dritten Mal diesen „wunderbaren Marathon“ zu laufen. Angefeuert von zahlreichen Landsleuten, die Fähnchen schwingend am Rande stehen. Und das bunte Völkchen bestaunen, das hier auf dem Kiez noch eng beisammen ist.
Sie haben sich als Wasserträger und als Schornsteinfeger, als Prinzessin und als Super Mario, als Engel mit Flügeln und als König mit Krone verkleidet. Und sie lassen sich antreiben von den Beats, die aus großen Lautsprechern am Streckenrand dröhnen. Und von den kleinen und großen Menschen, die mit Rasseln und Trillerpfeifen, Trommeln und Trompeten den Rhythmus vorgeben.
Zuschauer grölen und klatschen
Am Ottenser Marktplatz beginnen die Balkonpartys. Die Zuschauer grölen und klatschen. Sie haben gedeckte Tische in ihre Vorgärten und auf die Gehwege gestellt oder große Decken auf Verkehrsinseln ausgebreitet. Sie winken aus Fenstern, und am Altonaer Rathaus intoniert der Spielmannszug Komet Blankenese „Downtown.“ Sie feuern jeden Einzelnen mit seinem Namen an. „Lauf, Lukas, gleich hast du es geschafft.“ Ein etwas voreiliger Zuruf bei Kilometer fünf.
Fünf Kilometer weiter an der Hafenstraße ist das Feld schon auseinandergezogen. Drei Oldies in Fischerhemden singen „Tutti frutti“ vor den bunten Häusern. Eine junge Läuferin bleibt stehen und tanzt ein bisschen Rock ’n’ Roll, bevor sie Richtung Landungsbrücken weitertrabt.
Durch den Wallringtunnel geht es erst zur Binnen- und dann zur Außenalster. Bei Kilometer 21 an der Sierichstraße wird es wieder lauter. Rund 70 Freiwillige reichen Bananenstücke und Wasserbecher. „Döner und Bier gibt’s an der nächsten Ecke“, ruft Maike den Sportlern zu.
Wenn plötzlich „der Mann mit dem Hammer“ auftaucht
Die Hälfte ist geschafft. Und die Plakate am Streckenrand werden fantasievoller. „Wenn du lachst, tut es weniger weh“, können die Marathonis da lesen. Oder auch: „Wo Schmerz ist, ist noch Leben.“ Manche wenden sich direkt an die Läuferin: „Sonja, wenn du nicht mehr laufen kannst, renne.“
Netter Vorschlag. Längst wechseln viele, die es vielleicht zu schnell angegangen sind, vom langsamen Trab in den bedächtigen Gang. 18 Grad zeigt das Thermometer inzwischen, so warm war es zuletzt beim Marathon 2011 in Hamburg. „Aber umdrehen wär jetzt auch blöd“, steht auf einem Pappschild.
„Der Marathon an sich ist nicht gesund, aber es gibt nichts Besseres als das Training für einen 42-Kilometer-Lauf“, hat der Sportwissenschaftler Garry Palmer gesagt. Und ein Phänomen erklärt, das manchen ab Kilometer 32 ereilt. Wenn plötzlich „der Mann mit dem Hammer“ auftaucht.
Alle Liegen sind belegt
Dann wird der Weiterlauf zur reinen Willenssache. Es gebe diverse Ursachen für den plötzlichen Auftritt des ungeliebten Begleiters, erklärt Leistungsdiagnostiker Palmer. Hauptgründe seien eine „unangebrachte Vorbereitung“ und ein „zu schnelles Anfangstempo“. Dann ist nämlich irgendwann das Gleichgewicht von Energieverbrauch und Sauerstoffaufnahme nicht mehr gegeben. Die mit Energie unterversorgten Muskeln bilden mehr Laktat, als sie abbauen können, was zu einer Übersäuerung der Muskulatur führt. Und wenn die gespeicherten Kohlenhydrate endgültig aufgebraucht sind, holt sich der Körper die benötigte Energie nur noch über die Verbrennung von gespeicherten Fettzellen. Eine Verbrennung, die zum Nachteil der Athleten wesentlich mehr Sauerstoff verlangt.
Am Südring beim Stadtpark hat es eine junge Läuferin erwischt. Sie liegt völlig regungslos auf dem Grünstreifen, zwei Männer vom Malteser Hilfsdienst kümmern sich um sie.
Bei Kilometer 35 auf der Alsterkrugchaussee stehen fünf Liegen, alle sind belegt. Hier können sich müde Marathonis von vier Händen gleichzeitig Waden und Oberschenkel durchkneten lassen. Um so vielleicht krampffrei die letzten sieben Kilometer zu schaffen.
Das Marathon-Geschehen im Liveblog
Am Eppendorfer Baum ist wie jedes Jahr die beste Marathon-Stimmung. Hier stehen sie in drei Reihen. Vereinzelte La-Ola-Wellen. Aktuelle Hits aus riesigen Boxen. Heiße Samba-Rhythmen auf großen Trommeln. Und Läufer, die eben noch getaumelt sind, trotten jetzt in anständigem Tempo dem Ziel entgegen. „Ihr schafft das“, kriegen sie von draußen zu hören. „Einfach immer weiterlaufen.“ Genau 10.010 Läufer schaffen es am Ende wirklich.
Die Schnellsten sind schon seit Stunden im Ziel, als sich auch die junge Mutter in kurzen Hosen an der Außenalster noch einmal ordentlich ins Zeug legt. Nur noch drei Kilometer. Das wird sie packen. Schließlich hatte ihr Mann am Klosterstern ein Plakat hochgehalten: „Wir essen pünktlich, mit dir oder ohne dich.“
Fotos aller Teilnehmer zum Herunterladen
Hier finden Sie die Fotos aller Teilnehmer des Hamburg Marathons 2018 – klicken Sie einfach auf die Collage, dann gelangen Sie zur Übersichtsseite. Im Menü „Galerie Auswahl“ sind alle Bildergalerien und Fotos nach Uhrzeit sortiert. Abendblatt-Fotograf Martin Brinckmann stand in Höhe von St. Katharinen bei Kilometer 14.
So finden Sie Ihr Bild: Sollten Sie zum Beispiel gegen 11.30 Uhr Kilometer 14 passiert haben, wählen Sie bitte die Bildergalerie aus, die diesen Zeitpunkt enthält. Unter jedem einzelnen Foto steht die Funktion „Download“ zur Verfügung. Damit können Sie sich diese schöne Erinnerung kostenlos herunterladen.