Hamburg . Keiner hat Hamburg in den vergangenen Jahren so sehr geprägt wie Oberbaudirektor Jörn Walter. Nach 18 Jahren tritt er ab. Eine Bilanz.
Vielleicht werden nur Zeitreisende sein Wirken wirklich schätzen können. Denn der direkte Vergleich des Hamburgs zur Jahrtausendwende mit der Hansestadt von heute erschließt sich am ehesten über einen Rückgriff auf die Geschichte. Ziehen wir also in Gedanken durch das Hamburg des Jahres 1999, angefangen im Westen: Auf dem Süllberg ist Baubeginn für eine neues Hotel und Restaurant, in Altenwerder südlich der Elbe ragt ein Kirchturm aus einer Riesenbaustelle für ein Containerterminal heraus.
Projekt Hafencity
An der Elbchaussee wird die traditionsreiche Elbschloss-Brauerei abgerissen. Vorbei am noch existierenden Mühlenberger Loch geht es über Alsterdorf – hier entsteht gerade das Polizeipräsidium – in die Innenstadt: 1999 wird der Rathaus-Innenhof verkehrsberuhigt, die Colonnaden werden generalüberholt, und das Projekt HafenCity nimmt erste Formen an – auf dem Papier. Noch sieht man davon nichts, an der Kehrwiederspitze wird das Hanseatic Trade Center fertiggestellt. Beim Blick von oben fallen viele Frei- und Hafenflächen ins Auge. Hamburg ist noch lange nicht fertig.
Ein guter Zeitpunkt, um anzufangen. Am 1. März 1999 tritt Jörn Walter sein Amt als Oberbaudirektor an. Zunächst befindet sich sein Büro am Alten Steinweg, im Jahr 2002 zieht er an die Stadthausbrücke, 2015 schließlich nach Wilhelmsburg. Für den gebürtigen Bremer ist es ein Sprung entlang der Elbe – seit 1991 hatte er das Stadtplanungsamt in Dresden geleitet. Hamburg ist größer und vor allem anders. „Die Stadt war allein wegen der HafenCity eine enorme Herausforderung“, sagt er heute. Ähnlich äußerte er sich vor seinem Amtsantritt. Die Hansestadt gehöre zu den „ganz bedeutenden Städten Europas“, sagte Walter 1998. Es sei kein leichter Weg für ihn, das Amt des Oberbaudirektors sei mit großen Namen verbunden.
"Kraftvoll und neugierig"
Das Abendblatt kommentierte den ersten Auftritt des damals 41-Jährigen vor der Landespressekonferenz als „bestimmt, kraftvoll, neugierig“. Das Besondere an dem Amt erklärte der damalige Stadtentwicklungssenator Willfried Maier (GAL): Der Oberbaudirektor habe das Recht, alle wichtigen Bauvorhaben zur Begutachtung vorgelegt zu bekommen. In seinem ersten Interview betonte Walter: „Mit seinem Bezug zum Wasser hat Hamburg einen Reichtum vor allen anderen deutschen Städten, den man stärker nutzen sollte.“
18 Jahre später – der Bart etwas grauer, die Haare schütterer – steht er wieder an seiner einstigen Wirkungsstätte, der Stadthausbrücke. Doch das Eckgebäude ist kaum wiederzuerkennen. Es steht stellvertretend für Hamburg, für die Wandlung vom hässlichen Entlein zum stolzen Schwan. Der etwas unscheinbare Klotz entpuppt sich plötzlich als Wahrzeichen. Seitdem der Bauzaun verschwunden ist und das Palais von einer Kuppel gekrönt wird, bleiben die Menschen stehen und schauen staunend auf die Stadthöfe.
Das Beste des Ensembles zwischen Großen Bleichen und Neuer Wall aber liegt noch für neugierige Blicke verborgen. Die Stadt der Passagen bekommt erstmals echte Höfe mit Läden, Restaurants, einem Hotel und einer Gedenkstätte. Für den scheidenden Oberbaudirektor ist das 220-Millionen-Euro-Vorhaben ein besonderes Objekt. Das Ensemble schufen gleich drei Baudirektoren – Carl Johann Christian Zimmermann (1872–1908), dessen Vertreter Albert Erbe (1908) und Fritz Schumacher (1909–1933).
Dass dieses Erbe behutsam in die Moderne übertragen wird, ist eine der Aufgaben des Oberbaudirektors. „Es liegt im öffentlichen Interesse, zu schauen, wie sich eine solche Modernisierung in den städtebaulichen Zusammenhang einfügt“, sagt Walter. Wie hoch dürfen die Gauben werden? Sieht man den First noch? Wie muss die Fassade gestaltet sein? Mitunter ist es ein Ringen zwischen Geschäftsinteressen auf der einen Seite und dem baukulturellen Wohl auf der anderen; bei dem Ensemble zwischen Stadthausbrücke und Bleichenbrücke zum Nutzen beider Seiten.
„Die Stadthöfe werden ein Riesengewinn für die Hansestadt“, sagt Walter und erinnert sich an die Vergangenheit des Baus als Behörde. „Wir haben früher noch auf dem Fleet geparkt, und nun wird das ein öffentlicher Raum.“ 2019 soll das ganze Ensemble fertiggestellt werden. „Schade, dass ich das nicht mehr in meiner Amtszeit erleben kann“, seufzt Walter. Und bricht eine Lanze für die vom Zeitgeist so argwöhnisch beäugten privaten Investoren. „Man muss klar sagen: Die Stadt hätte nicht die finanzielle Kraft gehabt, das Ensemble so herzurichten.“
Eine Milliarde Euro wurde in Wilhelmsburg investiert
Hamburg hat viele Baustellen. Mal ist es nur eine schmale Baulücke, mal geht es um ganze Stadtteile. Eines der größten Projekte seiner Amtszeit liegt auf der Elbinsel. Spätestens zur Jahrtausendwende geriet Wilhelmsburg als Problemstadtteil in den Fokus. Als ein Kampfhund den sechsjährigen Jungen Volkan im Juni 2000 auf dem Schulhof an der Buddestraße zu Tode biss, geriet das zum Symbol für Verwahrlosung, die Politik reagierte. „Spätestens da wurde allen bewusst, dass Wilhelmsburg nicht nur Sanierungen benötigt, sondern eine strukturelle Veränderung“, sagt Walter.
Es wurde geklotzt, nicht gekleckert: 2003 fiel die Entscheidung, die Internationale Gartenschau (igs) nach Wilhelmsburg zu vergeben und damit rund 70 Millionen Euro in den neu geschaffenen Inselpark zu investieren. Mit der Internationalen Bauausstellung (IBA) ging es um nicht weniger als einen Stadtumbau, um Aufwertung, ohne zu vertreiben, um den viel zitierten „Sprung über die Elbe“. 90 Millionen Euro flossen aus einem Sonderprogramm auf die Flussinsel; investiert wurde zwischen 2007 und 2013 sogar rund eine Milliarde Euro, davon ein Drittel öffentliche Mittel.
Das Geld sollte eine neue Stadt in der Stadt schaffen – und hat Wilhelmsburg zum Besseren verändert. Das Bildungszentrum „Tor zur Welt“ gehört dazu wie der Bau der Stadtentwicklungsbehörde, ein spektakuläres Werk des Berliner Architekturbüros Sauerbruch Hutton. Und die Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße, einst ein verrückter Traum, soll bis Mitte 2019 Wirklichkeit werden. Der Sprung über die Elbe – Walter wagt ihn jeden Tag. 2015 zog seine Behörde hinaus aus der City nach Wilhelmsburg.
Nun steht der 59-Jährige auf dem Energiebunker an der Neuhöfer Straße. Es nieselt, der Wind pfeift aus West, Hamburger Wetter. Nicht das Klima macht Hamburg liebenswert, sondern seine Ästhetik. „Wir haben nicht so viele spektakuläre Bauwerke, aber ein zusammenhängendes Stadtbild aus einem Guss“, sagt Walter und blickt auf die Silhouette der Türme der Hauptkirchen, die zum Greifen nahe scheinen. Bis zum Hauptbahnhof benötigt die S-Bahn von Wilhelmsburg bloß acht Minuten, in den Köpfen mancher Hamburger bleibt es eine Weltreise. Immerhin: Die IBA hat die Distanz geschrumpft; das Café im Energiebunker ist zum beliebten Ausflugsziel avanciert, das mehrfach ausgezeichnete Sanierungsprojekt „Weltquartier“ liegt gleich vor der Stahltür.
„Die Entwicklung des Stadtteils ist eine Erfolgsgeschichte“, sagt Walter, schränkt aber ein: „Wir haben die kritische Masse noch nicht überall erreicht, die beispielsweise Läden oder Schulen benötigen. Dafür brauchen wir noch mehr Einwohner und eine bessere Einkommensstruktur.“ Stadtentwicklung ist ein fließender Prozess – erst recht auf der über Jahre sträflich vernachlässigten Flussinsel. Wie sehr sich die Lebensqualität inzwischen verbessert hat, kann Walter jeden Tag erwandern. „Wo heute der Inselpark ist, war früher ein unzugängliches Gelände. Wenn ich jetzt durch den Park schlendere, treffe ich Sportler, Jugendliche, Familien.“
Vom Bunker aus fällt der Blick auf einen durchmischten Stadtteil, der Wohnen und Gewerbe verbindet. Man sieht die Köhlbrandbrücke, Container türmen sich zu Wänden, Windräder drehen sich, Hafenkräne zeugen von Hamburgs alter Stärke. Der Energiebunker zeigen seine neue Stärke. Walter gefällt der Umbau des Beton-Ungetüms, das Zwangsarbeiter einst in sechs Monaten errichten mussten, zu einem Strom- und Wärmeerzeuger. „Natürlich müssen Bunker erkennbar bleiben. Aber sie dürfen von den Nachgeborenen umgedeutet werden“, sagt Walter. Er plädiert auch für die umstrittene Begrünung des Bunkers auf dem Heiligengeistfeld. „Ich teile nicht die Rigorosität mancher Denkmalfreunde.“
Als Oberbaudirektor gerät er zwangsläufig manchmal in Händel mit dem Denkmalamt, vor allem aber mit ehrenamtlichen Denkmalschützern. Hamburg, einst als „Freie und Abrissstadt“ verspottet, schaut sensibel auf sein architektonisches Erbe. Seit Jahren tobt der Streit um den Cityhof, jenen Hochhauskomplex der 50er-Jahre am Klosterwall. Die einst ansprechenden Hochhausscheiben mit ihren weißen Leica-Keramikplatten und Holzfenstern wurde in den 70er-Jahren zugrunde saniert. Walter hält den gesamten Klophaus-Bau für die „architektonisch falsche Entscheidung“ und treibt die Neuentwicklung voran; engagierte Bürger wehren sich. Der Ausgang ist offen.
An der HafenCity entzündete sich eine Architekturdebatte
Einige Schlachten, etwa um die Kran-Kunstwerke eines Jeff Koons auf dem Spielbudenplatz oder den Umzug der Universität auf den Grasbrook, verlor er; andere wie den Bau der gleichfalls umstrittenen Europa Passage zwischen Binnenalster und Mönckebergstraße oder die Umgestaltung des Jungfernstiegs brachte er ins Ziel.
Nicht mit Denkmalschützern, sondern mit Architekturkritikern musste sich Walter zeit seines Schaffens auseinandersetzen – zum Kristallisationspunkt wurde die HafenCity. Was bekam der Oberbaudirektor da entgegengeschleudert: „Würfelhusten“ sei das, „Kleckerkram“, beliebige Architektur, ja, Walter fehle das „Gespür für Hamburg“. „Nach drei Gebäuden begannen einige schon mit der Generalkritik“, erinnert er sich. „Das prallt nicht an einem ab.“
Damals stießen verschiedene Welten in einer mitunter hitzigen Architekturdebatte aufeinander. Die einen hätten am liebsten die Speicherstadt bis zur Elbe weitergebaut, andere hingegen am liebsten ein gigantisches Experimentierfeld für zeitgenössische Architektur geschaffen. „Mir ging es darum, für die Stadt eine neue Facette zu gewinnen, etwas, das noch nicht da war, sich aber in den Stadtkontext einfügt.“ Walter sieht sich heute als Mann der Mitte, als Reformer zwischen historisierenden Architekten und Supermodernisten.
Aus den Konflikten um den Domplatz gelernt
Für Walter ist Stadtentwicklung stets eine Frage des richtigen Zeitpunkts. Passt dieser nicht, scheitern Projekte, egal wie gut sie durchdacht sein mögen. So erging es Bürgermeister Klaus von Dohnanyi, der 1988 die Speicherstadt veräußern wollte, um sie für neue Nutzungen zu öffnen. Eine Welle der Empörung erstickte alle Pläne im Keim. Mehr Erfolg hatte sein Nachfolger Henning Voscherau, der 1997 seinen Überraschungsplan der HafenCity vorstellte und viel Beifall erntete. „Man muss das Gefühl für den richtigen Zeitpunkt entwickeln“, meint Walter. Und gesteht, ihn manches Mal verpasst zu haben: „Beim Domplatz lag ich falsch. Ich bedauere bis heute, dass wir es nicht geschafft haben, diesen Platz zu beleben und vor allem junge Menschen in die Stadt zu holen“.
Dort sollte in einem kristallartigen Glasbau die Zentralbibliothek unterkommen – bis sich Helmut Schmidt im Juni 2006 weit aus seinem Herausgeber-Büro der „Zeit“ lehnte: Den Solitär nannte der Altkanzler, der gern Architekt geworden wäre, einen „krampfhaft-schiefen, glasverkleideten Stahlskelettbau“, der ebenso oder ähnlich in Shanghai, Dubai, São Paulo gebaut werden könnte. „Ein Produkt der globalisierten Allerwelts-Architektur von Bankzentralen“, wetterte Schmidt weiter. „Ob gewollt oder ungewollt – das Projekt ist ein krasser Bruch mit der Geschichte.“
Das ging auch gegen Jörn Walter, der lange Zeit als Verfechter von Glas und Stahl galt. Im Architektur-Jahrbuch von 2008 schrieb er: „Die größte Neuerung haben die ikonografischen Neubauten von Bothe Richter Teherani der Stadt geschenkt“, eine Liebeserklärung an Häuser wie den Berliner Bogen, das Deichtorcenter oder das Dockland an der Elbe. Tatsächlich schmückten diese Büropaläste kurz nach der Jahrtausendwende viele Hamburg-Führer. Es ist deutlich stiller geworden um Glas und Stahl, auch Walter ist stiller geworden. Nach dem Scheitern des Kristalls gab es nur noch wenige solcher Projekte in der Hansestadt. Die Tanzenden Türme von Hadi Teherani am Eingang der Reeperbahn aber haben viele Kritiker versöhnt.
"Man muss Mut haben"
„Ich will nicht, dass Hamburg eine traditionalistische Stadt wird“, hatte Walter 2008 betont. „Man muss den Mut haben, Hamburg künstlerisch weiterzubauen.“ Er hat aber aus den Konflikten – gerade um den Domplatz – gelernt und sich der Kritik gestellt. „Die Stadt prägt den Oberbaudirektor stärker als die Oberbaudirektoren die Stadt – auch wenn die sich alle Mühe geben“.
Inzwischen ist die Debatte über die HafenCity entspannter geworden. Je weiter das größte innerstädtische Bauvorhaben Europas wuchs, je mehr Lokale, Geschäfte öffneten und Baugruben verschwanden, desto leiser wurde die Kritik, desto wohlwollender das Echo.
"Eine Kathedrale"
Nun steht der scheidende Oberbaudirektor entspannt an den Magellan-Terrassen und blickt versonnen auf ein typisches wie gelungenes Stück neue Stadt. Viele Menschen sind unterwegs, Passanten, Anwohner, Touristen, sie nehmen die Stadt in Besitz. Wasser und weite Blicke, Häuser und Himmel, viele Teile und ein Ganzes. Rechterhand liegt der Sandtorkai, in der Mitte der Traditionsschiffhafen, links der Kaiserkai. Im Hintergrund überragt die Elbphilharmonie das Viertel. „Die Elbphilharmonie ist das Schlüsselbauwerk für den Stadtteil, die Kathedrale“, sagte Walter 2012. „Bei der letzten großen Stadterweiterung von der Altstadt zur Neustadt haben die Hamburger den Michel gebaut, heute bauen sie ein Konzerthaus.“
Die Elbphilharmonie der Schweizer Architekten Herzog & de Meuron ist ein brandneues Kleinod und wirkt zugleich doch aus der Zeit gefallen, sie ist ein Stein und Glas gewordenes Wagnis, eine architektonische Mischung aus Mut und Übermut. So etwas kann nur bauen, wer sein Amt so wenig fürchtet, wie er sich um den Stadtsäckel schert. 2007 traute sich die Politik – übrigens einstimmig.
„Damit konnte man nicht rechnen“, sagt Walter. „Es ist ein Geschenk des Himmels, ein Stück Weltarchitektur geworden – das ist keine Ereignisarchitektur, das ist ein Architekturereignis“. Walter verstand sich immer auch als Erklärer. Einen Teil der Vorbehalte konnte der durchaus begnadete Rhetoriker stets abräumen, indem er ausladend mit seinen langen Armen und seiner durchdringenden Stimme Städtebau plastisch erklärte – nicht nur auf Fachforen, sondern auch bei Teestunden mit Bürgern.
In der HafenCity scheint gelungen, woran viele Großprojekte scheiterten. Die City Nord etwa schufen zwar die größten Architekten ihrer Zeit, aber das Ganze harmoniert wenig – entstanden ist ein Architekturzoo, der längst aus der Zeit gefallen ist. „Eine Stadt braucht auch Hintergrund“, sagt Walter und zeigt auf das ruhige Pantaenius-Bürogebäude von Stararchitekt David Chipperfield am Großen Grasbrook 10. „Wenn wir nur besondere Bauten errichten, zerfällt die Stadt.“
Dem Bürger erschließen sich viele architektonische Details erst auf den zweiten Blick, wie etwa das Gebäude der Sydbank am Sandtorkai 54, das Jan Störmer entworfen hat und das Jörn Walter besonders schätzt. Zur Speicherstadt verfügt das Gebäude über eine geschlossene Lochfassade, zum Platz und zum Wasser hin öffnet es sich mit Glasbändern.
Gießen wir Wasser in den Wein. Was ist in der HafenCity schiefgelaufen, Herr Walter? „Ich bedauere schon, dass das Science-Center, dieser spektakuläre Entwurf von Rem Koolhaas, der Finanzkrise zum Opfer fiel und nicht verwirklicht worden ist.“ Im Überseequartier sollte ein Wissenschaftstheater in einem spektakulären, geöffneten Turm in Form eines O entstehen; längst aber ist klar, dass an der markanten Ecklage Magdeburger Hafen/Elbe ein 70 Meter hohes Bürogebäude wachsen wird.
18 Jahre sind nicht nur für Menschen eine lange Zeit, auch eine Stadt kann in 18 Jahren erwachsen werden. Die Innenstadt, HafenCity, Wilhelmsburg sind kaum wiederzuerkennen, auch Projekte wie auf der Finkenau, an den Falkenriedterrassen, die Mitte Altona, das Quartier 21 und der Güterbahnhof Barmbek, die Schlossinsel Harburg und die Hafenkrone St. Pauli prägen heute die Stadt. Andere wie die Jenfelder Au und das Pergolenviertel sind noch im Bau.
Was versäumt wurde
Ein Versäumnis sieht Walter in dem unzureichenden Wohnungsbau Anfang des Jahrtausends. Noch in den 90er-Jahren wurden 70.000 Wohnungen fertiggestellt, danach flossen die Mittel vor allem in die Sanierung. „Damals hatten wir Leerstände in Kirchdorf Süd und am Osdorfer Born, im Fokus der öffentlichen Debatte stand das Schrumpfen der Städte“, erinnert sich Walter. „Auch in Hamburg stagnierte die Bevölkerungszahl.“ Seit 2000 wächst die Stadt wieder. „Da haben wir alle zu spät reagiert, wir haben den Bedarf total unterschätzt.“ Inzwischen wird viel mehr gebaut – Olaf Scholz gewann die Bürgerschaftswahl 2011 nicht zuletzt mit dem Versprechen, 6000 Wohnungen jährlich in Hamburg genehmigen zu wollen. 2016 schraubte der Senat das Ziel auf 10.000 Einheiten hoch. Hamburg, die wachsende Stadt, testet bald die Grenzen des Wachstums.
Bis heute ärgern Walter die gefloppten Olympiabewerbungen – die erste scheiterte 2003 an den deutschen Sportverbänden, die zweite 2015 an den Hamburgern. „Diese Chance bekommt eine Stadt nur alle 100 Jahre. So hätten wir den Sprung über die Elbe mit Leichtigkeit geschafft“, sagt der 59-Jährige. „Beim ersten Mal wollten wir die Sportachsen nach Süden entwickeln, bei der zweiten Bewerbung den Grasbrook erschließen. Das waren richtig gute Planungskonzepte“, sagt Walter. Immerhin: „Sie haben einige zum Nachdenken gebracht.“
Und noch etwas bedauert Walter: dass bis heute nur wenige Hausboote auf Hamburgs Kanälen festgemacht haben. „Da könnte noch mehr passieren.“ Die Nachfrage sei überschaubar, auch weil Hausboote relativ teuer sind. Eine halbe Million Euro ist der Bauherr schnell los, die Banken sind bei der Finanzierung zögerlich. Ursprünglich hatte die Stadt Hunderte Hausboote geplant, fertiggestellt wurden nur einige Dutzend auf dem Mittelkanal in Hammerbrook und dem Eilbekkanal. Aber Walter bleibt optimistisch. Weitere Standorte sieht er auf Osterbekkanal und der Bille.
Während der Oberbaudirektor über verpasste Chancen spricht, nähert sich vorsichtig eine ältere Dame. Sie guckt noch einmal genau hin und sagt dann: „Sie machen unsere Stadt immer schöner, Herr Walter.“ Und kaum nimmt man den Gesprächsfaden wieder auf, kommt eine weitere Dame vorbei und fragt: „Das ist doch unser Baudirektor?“ „Der macht das richtig gut, schade, dass er aufhört. Wat’n Schiet!“
Mitarbeit: Oliver Schirg