Demokraten müssen zeigen, dass Rechtsextremismus in Deutschland keine Chance hat. Hamburg hat schon einmal rechte Hysterie vertrieben.
Der Mensch neigt dazu, Gefahren erst ernst zu nehmen, wenn sie konkret werden. Dann kann er aber sehr schnell und entschlossen reagieren, um das Schlimmste abzuwenden. Das haben wir zuletzt in der Corona-Pandemie erlebt – und werden es jetzt erleben, wo der Kampf um die Zukunft der Demokratie und gegen den wiedererstarkten Rechtsextremismus ansteht.
Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Die Demokratie wird diesen Kampf gewinnen, unsere moderne Gesellschaft wird sich niemals wieder in eine Gesellschaft verwandeln, wie es sie vor rund 90 Jahren gegeben hat. Der Populismus in der rechtsextremen Form, wie wir ihn derzeit in Deutschland erleben, konnte sich nur derart entfalten, weil die Gefahr, die von ihm auszugehen schien, lange abstrakt war.
Die Zeit der wehrhaften Demokraten ist gekommen
Das ändert sich jetzt, wenn Landtagswahlen etwa in Thüringen näher rücken, in denen es nicht mehr unmöglich ist, dass eine Partei wie die AfD die meisten Stimmen auf sich vereint. Das ist mit all den unappetitlichen Begleiterscheinungen und Ankündigungen der vergangenen Wochen der Weckruf, den es anscheinend gebraucht hat.
Es ist kein Zufall, dass auf einmal überall in der Republik Demonstrationen gegen Rechtsextremismus geplant werden, so wie in Hamburg an diesem Freitag. Und es ist auch kein Zufall, dass daran nicht nur ein paar tausend, sondern Zehntausende Menschen teilnehmen. Die Zeit der wehrhaften Demokraten ist gekommen. Sie werden nicht nur zeigen, dass sie in der überwältigenden Mehrheit sind, sie werden auch umso stärker werden, je konkreter die Bedrohung dieser, unserer Gesellschaftsform ist.
Die ganze Welt steht am Beginn einer neuen Epoche
Wer die Demokratie so kennengelernt hat wie wir in Deutschland – und das haben leider die wenigsten Menschen auf dieser Welt –, der will und wird sie nicht wieder hergeben. Dass es etwas länger gedauert hat, bis sich das regt, was sich jetzt regt, hat einen einfachen, fast schon schönen Grund: Ganze Generationen von Bundesbürgern haben sich zu ihren Lebzeiten nie Gedanken um die Zukunft der Demokratie machen müssen. Sorgen darum waren eher theoretischer oder, siehe oben, abstrakter Natur, damit musste man sich glücklicherweise nicht ernsthaft beschäftigen.
Das hat sich geändert, und das ist kein typisches deutsches Phänomen. Überall auf der Welt erstarken sowohl nationalistische als auch rechtsextreme Bewegungen als Gegenstück zur Globalisierung, haben Populisten Zulauf, weil sie Angst und Hass schüren, und auf komplexe Fragen scheinbar einfache Antworten geben. Weil die ganze Welt am Beginn einer neuen Epoche steht, die große Veränderungen mit sich bringt, wird die Sehnsucht nach der Vergangenheit, auch wenn die oft gar nicht besser war, wieder größer.
Die Demokratie macht es ihren Feinden leicht
Für die Hysterie, die dabei entsteht, ist gerade Deutschland leider recht empfänglich. In den Diskussionen bei uns gibt es oft nur Schwarz oder Weiß, wo Zwischentöne angebracht wären. Es geht nicht mehr darum, was man sagt, sondern nur noch darum, es so laut zu tun, dass man andere Meinungen am besten gar nicht mehr hört.
Ist das schlimm? Ja! Ist das Demokratie? Auch ja. Unsere Gesellschaftsform trägt ein Stück auch etwas Selbstzerstörerisches in sich, sie macht es ihren Feinden leider leichter als alle anderen Systeme. Und sie spült manchmal Menschen in verantwortungsvolle politische Ämter, die da nun wirklich nicht hingehören.
In Hamburg ist nach Schill wieder Vernunft eingekehrt
Wir in Hamburg haben das schon einmal erlebt, ist so lange auch nicht her: Erinnern Sie sich noch an Ronald Schill, den gnadenlosen Richter, der Innensenator werden konnte? Ausgerechnet in einer der liberalsten Städte Deutschlands? Heute ist er nicht mehr als eine Fußnote in der Geschichte.
Im Rathaus ist nach der damaligen Hysterie wieder Vernunft eingekehrt, und deren Renaissance werden wir auch in Deutschland erleben. Unsere Gesellschaft ist geduldig, manchmal träge, und sie kann viel aushalten. Aber sie weiß auch, wann es Zeit ist zu sagen: bis hierhin und nicht weiter. Und genau an diesem Punkt sind wir jetzt.