Hamburg. Kein Angriff auf eine deutsche Stadt war verheerender als die Bombennächte vor 80 Jahren. Doch gerade Hamburg erinnert zu wenig.

König Charles III. hat sich mit der Operation Gomorrha wahrscheinlich intensiver auseinandergesetzt als viele Hamburger. Bei seinem Deutschland-Besuch im März legte er mit Königin-Gemahlin Camilla im Mahnmal St. Nikolai einen Kranz zum Gedenken an die Opfer der alliierten Luftangriffe auf Hamburg vor 80 Jahren nieder.

Schon bei seinem Besuch im Mai  1995 – 50 Jahre nach Kriegsende – gedachte er der Toten der Sommernächte 1943, als Feuer vom Himmel fiel. Der Krieg, den Deutschland in die Welt getragen hatte, kam endgültig heim ins Reich.

Operation Gomorrha: 8500 Tonnen Spreng- und Brandbomben auf Hamburg

Die verheerenden Angriffe, die in der Nacht zum 25. Juli begannen und bis zum 3. August liefen, zeigen die Entgrenzung des Krieges. Hier ging es weniger um die Zerstörung von kriegswichtiger Infrastruktur, des Hafens oder der Fabriken, sondern um ein „Moral Bombing“. Die Briten hofften, mit den Zerstörungen die Moral der Deutschen zu treffen, so fielen die Bomben ausgerechnet auf den Arbeiterstadtteilen im Osten nieder.

Die Operation Gomorrha war der bis dahin schwerste Angriff der Luftkriegsgeschichte: In sechs Großangriffen regneten binnen elf Tagen 8500 Tonnen Spreng- und Brandbomben auf Hamburg hernieder. Mindestens 35.000 Menschen starben, 125.000 wurden verletzt, jede zweite Wohnung zerstört, 900.000 Menschen flohen. Kein Angriff auf eine deutsche Stadt war verheerender – nicht einmal der auf Dresden 1945, wo schätzungsweise 30.000 Menschen ihr Leben ließen.

Der Krieg ging von Deutschland aus – wer dies leugnet, sollte besser schweigen

Ein besonderes Verderben richtete der Feuersturm in der Nacht auf den 28. Juli in Hammerbrook, Rothenburgsort, Horn und Hamm an – zunächst fielen – Freunde sensibler Sprache aufgemerkt – „Blockbuster“, also Sprengbomben, anschließend Brandbomben. Aufgrund der Witterungslage verwandelten sie ganze Stadtteile in einen Glutofen von 900 Grad.

Trotz allen Entsetzens, trotz aller Trauer verbietet es sich, damit einen Opfermythos zu begründen. Der Krieg ging von Deutschland aus, er hat halb Europa verheert, Millionen Menschen getötet, er steigerte sich zum Völkermord an den europäischen Juden, er gipfelte im Zivilisationsbruch. Wer dies alles leugnet oder kleinredet, sollte zur Operation Gomorrha besser schweigen.

Bombenangriffe: Städte gedenken mit Glockenläuten – Hamburg nicht

Jede Instrumentalisierung verbietet sich ohnehin: Es lässt tief blicken, dass ausgerechnet die KPD in den Fünfzigerjahren am lautesten den „anglo-amerikanischen Bombenterror“ anprangerte. Vielleicht ist deshalb Dresden tiefer im kollektiven Gedächtnis der Deutschen verankert, weil dieses Narrativ dort bis 1989 wirken konnte. Heute versuchen Rechtsradikale, das Gedenken zu missbrauchen – welch Geschichtsblindheit!

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Zugleich aber haben die Opfer – und die letzten Zeitzeugen – verdient, dass man ihre Erinnerungen ernst nimmt und der Toten gedenkt. 80 Jahre nach Gomorrha sind alle Überlebenden Opfer, weil die Täter längst tot sind. Es verwundert, dass viele deutsche Städte mit Glockenläuten an verheerende Bombenangriffe erinnern, in Hamburg aber sogar ein solches Gedenken fehlt.

Operation Gomorrha und der Krieg: Hamburg ist geschichtsvergessen

Hamburg ist geschichtsvergessen: Ein Großteil der Erinnerungen geht auf privates Engagement zurück, auf Wissenschaftler, Autoren, auf die Arbeit der Kirche. Ohne das Bürgerengagement des „Förderkreises Mahnmal St. Nikolai“ gäbe es nicht einmal diese Gedenkstätte im Herzen der Stadt.

Das Gedenken an Gomorrha und den Vernichtungskrieg könnte zugleich eine ewige Friedensmahnung sein: Hier in Hamburg zeigte sich erstmals die Eskalationslogik auch eines „gerechten Krieges“.