Hamburg. Antonyme oder Gegensatzwörter sind in der deutschen Rhetorik ein häufiges Stilmittel.

Die Stilistik oder Rhetorik ist die Kunst, eine Rede oder einen Text wirkungsvoll und individuell zu gestalten. Die deutsche Sprache bietet dazu mancherlei Hilfsmittel, um Wörter, Sätze, Figuren und Vergleiche so zu variieren, dass eine persönliche Mitteilung oder gar eine literarische Passage entsteht, wobei aber auch leicht ein sprachlicher Misserfolg herauskommt.

Ein Mittel ist dabei, mit dem semantischen Gegenteil zu arbeiten. Ich meine hier nicht die Stilfigur der Ironie, bei der etwas gesagt, aber boshaft das Gegenteil gemeint ist. Ironie kann zu leicht missverstanden werden, sodass einige den Satz „Die Ampel ist eine sehr gute Regierung“ schließlich für wahr halten. Nein, ich meine das Mittel der Gegenwörter.

Fachbegriff lautet „Antonym“

Wie verhalten sich die Begriffe „heiß“ und „kalt“ zueinander? Wenn das Badewasser zu heiß ist, verbrennen wir uns die Füße und vergeuden Energie, wenn es zu kalt ist, holen wir uns einen Schnupfen und schimpfen auf Robert Habeck. Aber diese „empirische“, diese von klein auf durch Erleben, Schmerz und Ausprobieren gewonnene Erfahrung ist nicht gemeint. Es geht um die Stilistik und die Semantik (Wortbedeutung). Sprachwissenschaftlich ist das eine das Gegenwort oder Gegensatzwort des anderen. Der Fachbegriff für ein Wort mit gegensätzlicher Bedeutung lautet „Antonym“.

Natürlich kommt auch dieser Ausdruck aus dem Griechischen von anti („gegen“) sowie ónyma („Name“) und wird korrekterweise Ant-onym getrennt. Der Duden übersetzt den Fachbegriff als „Wort, das einem anderen in Bezug auf die Bedeutung entgegengesetzt ist“ (Fremdwörterbuch).

Beispiele für entgegengesetzte Paare

Entgegengesetzte Paare sind etwa schwarz/weiß, gesund/krank, schmutzig/sauber, hell/dunkel, dick/dünn, starten/landen, ablehnen/genehmigen, hassen/lieben, Himmel/Hölle, Tag/Nacht oder morgens/abends. Ein Paradebeispiel war früher das antonyme Paar Mann/Frau. Ein Autor, der das heute gebrauchte, muss allerdings damit rechnen, allen bei der Geburt vorgegebenen Chromosomen zum Trotz mit queeren Gendersternen bombardiert zu werden.

Es gibt verschiedene Arten von Gegensätzen. Bei dem Paar „Ehrlichkeit/Unehrlichkeit“ handelt es sich um einen polaren Gegensatz. Nur das eine oder das andere ist möglich. Man ist entweder ehrlich oder unehrlich, aber nicht beides zusammen zur gleichen Zeit. Konträr ist das Paar „Maximum/Minimum“, bei dem auch ein Weder-noch eintreten kann, wenn keiner der beiden Werte zutrifft. Bei den Gezeiten herrscht entweder Ebbe oder Flut, auf jeden Fall eines von beiden, aber nie beides zusammen.

Antonyme werden als Stilmittel eingesetzt

Deshalb spricht man von korrelativen oder komplementären Ant­onymen. Wozu benötigen wir überhaupt Antonyme? Sie werden als Stilmittel eingesetzt. Natürlich könnten wir sagen: Dein Hemd „ist schmutzig“. Das wäre sehr direkt ausgedrückt. Höflicher klingt: Dein Hemd „ist nicht mehr sauber“. Das bedeutet das Gleiche, ist aber antonym abgeschwächt. Wörter mit verschiedenen Bedeutungen besitzen oft auch verschiedene Antonyme: „alt/jung“, aber „alt/frisch“ oder „alt/neu“.

Wir haben in einer früheren Folge gesehen, dass sich der Satz „Meine Nachbarin ist eine ältere Dame“ nicht auf die Steigerungsstufen „alt, älter, am ältesten“ bezieht, sondern auf das Ant­onym „jung“ zu „alt“ in der Folge „jung, älter, alt“. Die Dame ist älter als jung, aber jünger als alt. Wir haben es also mit einer „absoluten“ Steigerung (Komparation) zu tun, und zwar ohne Vergleichsbezug und ohne die Vergleichspartikel „als“.

Synonyme haben oft regionale Besonderheiten

Der Gegensatz zum Antonym ist das „Synonym“. Synonyme sind sinnverwandte Wörter mit gleicher oder ähn­licher Bedeutung. Häufig sind die Synonyme regional geprägt, denken wir nur an den norddeutschen „Sonnabend“ und den süddeutschen „Samstag“. Ein Schlachter ist anderenorts ein Fleischer, Metzger oder Fleischhauer, und so etwas Ähnliches wie ein Hamburger Rundstück bekommen Sie im übrigen Deutschland nur, wenn Sie den örtlich gültigen Ausdruck wie Schrippe, Semmel, Brötchen oder Wecken kennen.

Synonyme haben häufig nicht nur regionale Besonderheiten, sondern auch Abstufungen in der Sprachebene. Es ist nicht gleich, ob wir vom „Gesicht“ oder von der „Fratze“ sprechen.

deutschstunde@t-online.de