Die Krise fordert die politisch Verantwortlichen – es ist die Zeit der Macher.
Wenn man so will, ist er der Gegenentwurf zu Machtpolitikern wie Olaf Scholz oder Friedrich Merz. „Basta“ oder „Gedöns“ entsprechen nicht seiner politischen Haltung, „Doppelwumms“ oder „Bazooka“ wird man von ihm kaum hören: Daniel Günther ist mehr Moderierer als Macher, mehr Harmonie als Krawall. Aber auch wenn das seine Art ist: Die letzten Monate war es sehr still geworden um ihn. Günther wirkte zuletzt mehr wie der Präsident von Schleswig-Holstein und weniger wie der Chef einer Ministerriege, als er beispielsweise mit Bürgern zur Feier der Deutschen Einheit nach Erfurt reiste oder den Nabu-Vorsitzenden würdigte.
Nichts gegen Nabu oder Einheitsfeier: Aber der Regierungschef hatte das politische Spielfeld zumindest nach außen anderen überlassen – seinem Kabinett, der Fraktion, Opposition, Verbänden. Jetzt, ein halbes Jahr nach der Landtagswahl und vier Monate nach der Regierungsbildung, scheint Günther wieder da zu sein. Ob Bundesrat oder „Bericht aus Berlin“ – der Schleswig-Holsteiner meldete sich zuletzt mit den Themen zurück, die die Menschen unmittelbar betreffen.
Günther wegen seines Regierungsstils gewählt
Anfang des Jahres, als die schleswig-holsteinische CDU für die SPD noch einholbar erschien und nicht übermächtig, setzte die Union alles auf eine Karte: DAS Thema ihres Wahlkampfs wurde – ihr beliebter Parteichef. Inhaltlich nahezu entkernt, wie es Politikwissenschaftler übertreibend formulierten, gab es statt Programmatik vor allem Daniel Günther. Als es der CDU schließlich noch gelang, die Lust der Menschen auf eine Fortsetzung von Jamaika weg von Grünen und FDP in Stimmen für sie umzulenken, war die Wahl gelaufen. Am Ende fehlte der Union gerade einmal ein Sitz an der absoluten Mehrheit.
Die Schleswig-Holsteiner haben Günther also nicht gewählt, obwohl er harmoniebetont regierte – sondern gerade weil er es tat. Er hätte auch gern mit Jamaika weitergemacht. Nur: Jetzt gibt es kein kompliziertes Dreiergebilde mit sich kabbelnden Grünen und Gelben und einem die Probleme wegmoderierenden CDU-Ministerpräsidenten mehr, sondern eine Zweierkoalition mit selbstbewussten Grünen.
Was Hamburger von Tschentscher wünschen
Olaf Scholz hat einmal gesagt: Wer bei mir Führung bestellt, der bekommt sie auch. Angesichts nie dagewesener Krisen, die mit Corona begannen und in Folge von Putins Krieg mitten in Europa für viele Menschen in unerschwinglichen Energiepreisen gipfelten, muss man es ja nicht gleich wie Scholz machen. Aber geht nicht von beiden etwas? Mehr wahrzunehmende Empathie vom Kanzler und mehr wahrzunehmende Führung durch den Ministerpräsidenten? Hört man sich um, ist das übrigens etwas, was sich nicht nur Schleswig-Holsteiner offensichtlich von Daniel Günther wünschen, sondern Hamburger auch von Peter Tschentscher.
Die beiden sind als Ministerpräsidenten durch Pandemie, Inflation und Energiekrise geforderter denn je. Anfang März werden es drei Jahre sein, dass wir in einen nicht enden wollenden Krisenmodus gezwungen wurden. Wie die Länder und der Bund Deutschland durch diese Zeit gebracht haben – darum dürften uns nicht nur die Briten beneiden. Bei uns hingegen verblasst die Wahrnehmung. Wer nicht weiß, wie er oder sie die Gasrechnung zahlen soll, wer jeden Monat an die Ersparnisse muss, um die laufenden Kosten zu finanzieren, wer nicht weiß, wie lange die Firma noch durchhält und der Job sicher ist, sieht nicht mehr, was alles gut gelaufen ist. Dann bleibt nur der Blick für das Schlechte.
Jetzt ist die Zeit der Macher. Die Zeit der Politiker, die vorangehen und führen – und das mit Empathie.