Hamburg. Die Bewerbung des Verbands um Masterslizenz ist verständlich, darf aber nicht zur Aufgabe des Rothenbaums führen.

Der Sommer ist nach zwei Tagen Hitzewelle wieder der, den man aus Hamburg gewohnt ist. Heiß her geht es beim Tennisturnier am Rothenbaum vor allem auf den Sandplätzen – und hinter den Kulissen. Auch wenn das Finalwochenende noch bevorsteht, lassen sich aus den ersten Tagen der Hamburg European Open, die erstmals seit 1978 wieder als kombiniertes Damen- und Herrenturnier ausgespielt werden, einige Erkenntnisse gewinnen.

Die erste: Sportlich steht es um das deutsche Tennis nicht allzu gut. Bei den Damen schaffte es mit Andrea Petkovic nur jene von sechs gestarteten Einheimischen über Runde eins hinaus, die als Mitglied der goldenen Generation der Gruppe Spielerinnen angehört, deren aktive Karrieren in absehbarer Zeit beendet sein werden.

Veranstalter zufrieden mit kombiniertem Turnier

Die nachfolgenden Talente, das wurde am Rothenbaum deutlich, sind noch nicht so weit, um mit der Weltklasse mitschlagen zu können. Noch übler sieht es ohne die verletzten Spitzenleute Alexander Zverev (25/Hamburg) und Oscar Otte (29/Köln) bei den Herren aus, wo das Achtelfinale gänzlich ohne deutsche Beteiligung stattfand. Beim größten und traditionsreichsten Heimturnier ist das eine ernüchternde Zustandsbeschreibung.

Die zweite Erkenntnis ist, dass das neue Format, für das Turnierdirektorin Sandra Reichel und ihr Vater Peter Michael als Veranstalter hart gekämpft haben, auf der Anlage an der Hallerstraße problemlos umzusetzen ist. Trainings- und Spielbetrieb funktionieren reibungslos; dank der Kooperationsbereitschaft des Clubs an der Alster, der bis 2049 das Erbbaurecht an dem Areal hält, ist ausreichend Platz für die doppelte Anzahl an Profis geschaffen worden. Auch die Dachorganisationen WTA (Damen) und ATP sind zufrieden mit dem neuen Event.

Sorge um Hamburger Profitennis

Festzuhalten gilt aber auch, dass das deutlich attraktivere Programm (noch) nicht zu einem signifikanten Anwachsen der Zuschauerzahl geführt hat. An keinem Tag kamen bislang mehr als 5000 Besucher, selbst ein kommender Weltstar wie der Spanier Carlos Alcaraz übt wenig Zugkraft auf die Hamburger Sportfans aus. Möglicherweise kosteten die hohen Temperaturen einige Hundert Gäste. Manchen sind auch die Eintrittspreise zu hoch. Für das günstigste Ticket für den Hauptfeld-Spielbetrieb sind 55 Euro fällig, was tatsächlich kein Schnäppchenpreis ist, im Vergleich zu Zweitligafußball oder vielen Konzerten, die ähnliche Preise bei deutlich kürzerem Programm aufrufen, aber nicht unangemessen erscheint.

Die dritte Erkenntnis ist eher eine offene Fragestellung. Denn welche Zukunft das Profitennis in Hamburg hat, steht nach der Entscheidung des Deutschen Tennis-Bundes (DTB) als Lizenzinhaber des Herrenturniers, von 2024 an nicht weiter mit der Familie Reichel zu arbeiten, wieder einmal stark infrage. Wer die Weiterentwicklungen sieht, die es in den vergangenen Jahren am Rothenbaum gegeben hat, der wird sich fragen, warum der Verband diese ohne erkennbare Not in Gefahr bringt.

Kombiniertes Turnier als Alleinstellungsmerkmal

Die Stadt steht mehr denn je hinter dem Turnier, hat dies mit der vorrangig von Sportmäzen Alexander Otto finanzierten Komplettsanierung der Anlage unterstrichen. Mit dem kombinierten Turnier hat Hamburg in der deutschen Tennisszene ein attraktives Alleinstellungsmerkmal.

Wer jedoch in die Tiefen der Verbandspolitik hinabsteigt, muss dem DTB zumindest zugutehalten, dass er die Chance, sich um eine Lizenz für ein Herrenmasters zu bemühen, nicht verstreichen lassen darf. Schließlich hängen daran Fördermittel, die – siehe vorn – der darbenden Sportlerschaft zuträglich wären. Ein solches Event wäre – auch wenn der Club an der Alster signalisiert, sogar für eine temporäre Umrüstung der Anlage auf Rollrasen gesprächsbereit zu sein – am Rothenbaum kaum durchführbar.

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Die Konsequenz daraus darf allerdings nicht sein, dass Hamburg die Herren komplett verliert. Zwar könnten die Reichels, die die Lizenz des Damenturniers besitzen und das Wohlwollen der Stadt genießen, am Rothenbaum bleiben. Aber selbst mit einer erhofften Aufwertung des WTA-Turniers vom aktuellen 250er- zum 500er-Status wäre das kaum zu refinanzieren. Alle Seiten sollten deshalb gemeinsam eine kreative Lösung finden – zum Beispiel mit einer neuen 250er-ATP-Lizenz für die Reichels –, um den gerade erst eingeschlagenen Weg weiterzugehen.