Nach Anschuldigungen muss nun der Aufsichtsrat um den Vorsitzenden Marcell Jansen eine schwierige Frage beantworten. Ein Kommentar.

Beim HSV stand am Donnerstag mal wieder die Zukunft auf dem Plan. Aufsichtsratssitzung, es ging um das Budget für Sommertransfers, um Detlef Dinsel, der als neuer Investor und zukünftiger Aufsichtsrat beim HSV gleich doppelt einsteigen soll – und es ging natürlich auch um HSV-Vorstand Thomas Wüstefeld. Um seine Geschäfte, die Vorwürfe und die Insolvenz einer seiner Firmen, über die das Abendblatt bereits am Mittwochabend berichtet hatte.

Nur für die vielleicht wichtigste Zukunftsfrage gab es am Abend noch keine Antwort: Kann der Anteilseigner, Fan, Ex-Oberkontrolleur und aktuell aus dem Aufsichtsrat in den Vorstand entsendete Interimschef HSV-Vorstand bleiben?

Die einzig logische Antwort: Nein! Dabei ist diese Antwort schwierig und einfach zugleich. Schwierig ist das „Nein“, weil Thomas Wüstefeld zweifelsohne in Rekordzeit Dinge beim HSV angestoßen hat, die früher eine Ewigkeit gedauert haben. Er hat eine Strukturreform gegen viele Widerstände durchgeboxt, radikal Kosten gesenkt, unbequeme Fragen gestellt, sich mit der Politik und der Uefa angelegt und erstmals nach elf Jahren einen ausgeglichenen Haushalt präsentiert. Chapeau!

HSV: Was gegen Wüstefeld spricht

Einfach ist das „Nein“ trotzdem, weil die vergangenen Wochen und Monate sehr deutlich gezeigt haben, dass ein Anteilseigner, der eigenes Geld in den Club investiert hat, auf keinen Fall operativ tätig sein sollte. Denn wie soll der Aufsichtsrat, dessen Mitglied Wüstefeld ja auch noch bis vor Kurzem war, reagieren, wenn es mal knirscht? Und knirschen tut es beim HSV an allen Ecken und Enden schon länger. Doch können die Kontrolleure ihren Ex-Kollegen im Bedarfsfall genauso beurlauben wie in der Vergangenheit die Vorgänger Frank Wettstein oder Bernd Hoffmann?

Es gibt gute Gründe, warum bei normalen Fußballclubs keine Geldgeber im Vorstand oder in der Geschäftsführung tätig sind. Der Hauptgrund: Das Beste für den Club ist nicht automatisch immer das Beste für die Investoren. Das konnte man in der jüngeren Vergangenheit sehr deutlich bei Hertha BSC mit dem streitbaren Millionär Lars Windhorst beobachten, der nur allzu gerne ins operative Tagesgeschäft eingreifen wollte. Und das konnte man auch in den vergangenen zwölf Jahren beim HSV mit dem meinungsfreudigen Milliardär Klaus-Michael Kühne sehen.

Eigentlich wollte Wüstefeld nie zurück in den Aufsichtsrat

Nun also Wüstefeld. Seit am 4. Januar bekannt gegeben wurde, dass der Multiunternehmer ganz nebenbei auch noch den HSV managt, hat es – auch vom Abendblatt – einen immer wieder formulierten Vorwurf gegeben: Der 53-Jährige habe gar nicht vor, nach dem von ihm und vom Club offiziell kommunizierten Jahr im Vorstand brav zurück in den Aufsichtsrat zu wechseln. Mittlerweile hat Wüste­feld auch eingeräumt, dass er gerne auf der Kommandobrücke an Bord bleiben würde, sofern der Aufsichtsrat – wie schon gesagt: aus dem er nur entsendet ist – das vorschlagen würde.

An dieser Stelle wird es kompliziert. Denn was passiert denn mit dem Anteilseigner Wüstefeld, wenn der Aufsichtsrat tatsächlich zu dem Urteil kommen sollte, dass der Vorstand Wüstefeld – aus welchen Gründen auch immer – nicht länger tragbar wäre?

Wird der Fall Wüstefeld zum Fall Jansen?

Nicht nur auf diese Frage muss vor allem Aufsichtsratschef Marcell Jansen eine Antwort finden. Denn der Präsident und Chefkontrolleur in Personalunion war es, der schon vor Wüstefelds HSV-Engagement geschäftlich mit dem Unternehmer verbandelt war. Er war es auch, der Wüste­feld in den Aufsichtsrat holte, der zu dessen Gunsten vom Posten des Vorsitzenden (kurzzeitig) zurückgetreten war und der ihn wenig später zum Vorstand machte.

Jansen wurde auch – sowohl von Wüste­feld als auch vom Abendblatt – vorab über die zahlreichen Vorwürfe informiert. Grund zum Handeln oder Nachfragen sah der frühere Nationalspieler aber offenbar nicht. Und so könnte aus dem Fall Wüstefeld auch ein Fall Jansen werden.

Man darf also gespannt sein, wie sich der HSV nach den Geschehnissen der vergangenen Tage für die Zukunft aufstellt. Schließlich geht es neben Wüstefeld auch um die Zukunft von Sportvorstand Jonas Boldt, dessen Vertrag ausläuft. Da hilft es auch nur bedingt, dass bald wieder Fußball gespielt wird. Für die, die es noch inter­essiert: Am 15. Juli startet die Saison.