Hamburg. Der Projektentwickler des Holsten-Quartiers gerät in Schieflage – mit ungewissen Folgen. Schon vor einigen Jahren gab es Warnungen.

Blicken politische Beobachter auf Fehler des früheren Bürgermeisters Olaf Scholz, ist oft von G 20 oder der Cum-Ex-Affäre die Rede. Sein vielleicht größter Fehler ist in den Köpfen der meisten Hamburger hingegen noch nicht angekommen: 2016 fiel die verhängnisvolle Entscheidung, auf das Vorkaufsrecht an dem 8,6 Hektar großen Areal der Brauerei Holsten in Altona zu verzichten.

Stattdessen verkaufte der Holsten-Eigner Carlsberg an die Gerchgroup, die sich erst wenige Monate zuvor gegründet hatte. Scholz ging es damals vor allem um den Erhalt des Brauereistandortes. Doch diese Wirtschaftsförderung kommt die Stadt nun teuer zu stehen.

Filetgrundstück wurde freiem Spiel der Märkte überlassen

Natürlich ist man hinterher immer klüger. Doch manche waren es schon vorher: So sollen damals Mitarbeiter darauf gedrängt haben, das Areal etwa über den Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen zu kaufen – oder durch den Einsatz des besonderen Städtebaurechts im Rahmen einer Sanierungssatzung steuernd einzugreifen.

Stattdessen wurde das Filetgrundstück, auf dem 1300 Wohnungen entstehen sollen, dem freien Spiel der Märkte überlassen. Doch die Immobilienmärkte spielen schon seit Jahren verrückt. Und Hamburg hat das Nachsehen. Nun ist Adler, die Mutter des Holsten-Quartier-Projektentwicklers Consus, in schwere See geraten: Über dem Berliner Unternehmen mit Sitz im steuerparadiesischen Luxemburg ziehen dunkle Wolken auf – und noch ist nicht absehbar, wie heftig der Sturm wird. Pessimisten sehen einen zweiten Fall Wirecard, der die gesamte Branche erschüttern könnte. Optimisten hoffen, dass sich das Unwetter bald wieder legt.

Fall Adler erinnert an Wirecard

Doch die Nachrichten aus dem Unternehmen Adler erinnern durchaus an Wirecard. Nun haben die Wirtschaftsprüfer von KPMG das Testat verweigert. Die Zahlen des Immobilienkonzerns sind ein Desaster, der gesamte Verwaltungsrat des Jahres 2021 hat kollektiv seinen Rücktritt mit sofortiger Wirkung angeboten – vier hat der Verwaltungsratsvorsitzende dankend angenommen. Der Aktienkurs kollabierte bereits am Freitagabend und dürfte an diesem Montag das Börsengeschehen beherrschen. Das Unternehmen spricht selbst von einem „hohen Maß an Misstrauen zwischen dem Unternehmen und den Wirtschaftsprüfern“ und verspricht einen Neuanfang.

Zur Wahrheit gehört auch, dass im Umfeld des Holsten-Quartiers längst Geschichten erzählt werden können, die sich Antikapitalisten nicht besser ausdenken können. Geschäftsleute, denen Normalsterbliche mit Menschenkenntnis nicht einmal ein Transistorradio auf dem Flohmarkt abkaufen würden, jon­glierten dort mit Millionen und reichten wie beim Monopoly die Grundstücke weiter. Diese werden auf dem Papier immer wertvoller, doch bis heute – sechs Jahre nach dem Verkauf – wurde noch nicht ein einziger Grundstein gelegt.

Fall Adler könnte Beginn eines Immobilienbebens sein

Nach den Veröffentlichungen vom Wochenende ist fast undenkbar geworden, dass Adler/Consus jemals eine Baugenehmigung erhält. Die Stadt wird es nun wohl selber richten müssen – oder darauf hoffen, dass ein seriöserer Player das Großprojekt übernimmt. Wenn ausgerechnet schillernde Investoren wie Christoph Gröner, dessen Unternehmen einst selbst Teil von Consus war, sich schon einmal ins Gespräch bringen, sollten alle Alarmglocken schrillen.

Klar ist: Die Entwicklung des Holsten-Areals wird nicht nur zu einer unendlichen Geschichte, sondern auch zu einer unendlich ärgerlichen und teuren. Und blickt man auf die Immobilienmärkte, die unter den rasant gestiegenen Baukosten ächzen und steigende Zinsen fürchten, könnte der Fall Adler erst der Beginn eines Immobilienbebens sein.