Hamburg. Die Stadt bereitet sich auf Auswirkungen des Krieges vor. Vor Russlands Konsulat entlädt sich die Wut von Ukrainern – und Russen.
Vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine stellt sich Hamburg auf die Aufnahme ukrainischer Geflüchteter ein. „Die Aggression Russlands ist völkerrechtswidrig und ein Wendepunkt für die europäische Friedens- und Sicherheitspolitik“, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) am Donnerstag. Er sprach von einem „schwarzen Tag in der Geschichte Europas“ und sagte: „Wir sind erschüttert und empört über das Vorgehen Putins, das von langer Hand vorbereitet erscheint.“ Hamburg stehe solidarisch an der Seite der Menschen in der Ukraine, bekräftigte der Bürgermeister.
Die Bundesregierung habe den osteuropäischen Nachbarn Unterstützung bei der Aufnahme von Flüchtlingen zugesichert. „Hamburg wird sich daran nach Kräften beteiligen.“ Zugleich stimmte er die Bevölkerung auf die Auswirkungen des russischen Militärschlags ein: „Liebe Hamburgerinnen und Hamburger, das Ausmaß der Kriegsfolgen lässt sich heute noch nicht absehen. Sie sind auf jeden Fall weitreichend, und wir sind alle davon betroffen.“ Deswegen habe er den Innensenator gebeten, einen Krisenstab einzurichten.
Hamburg: Tschentscher über die Folgen des Kriegs in der Ukraine
Einige der möglichen Auswirkungen könnten „durchaus kritisch“ sein, sagte Innensenator Andy Grote (SPD). Das beträfe zum einen die Kriegsgeflüchteten aus der Ukraine, worauf man sich bereits vorbereite. „Wir aktivieren jetzt die bestehenden Platzkapazitäten und Möglichkeiten, die Menschen im bestehenden Unterkunftssystem unterzubringen“, so Grote. Darüber hinaus sei es möglich, dass weitere Standorte eingerichtet werden müssten.
„Eins ist jedenfalls klar. Wir werden die Menschen, wenn sie hier herkommen, versorgen, wir werden ihnen eine Unterkunft geben, wir werden uns um sie kümmern.“ Die Länder der Europäischen Union und damit auch Deutschland hätten daneben bereits Schritte in die Wege geleitet, um die Aufnahmefähigkeit der Anrainerstaaten zu stärken.
Hamburg befürchtet russische Cyberangriffe
„Der zweite Punkt ist das Thema Cyberangriffe“, erklärte der Senator. Mit diesen müsse man auch in Hamburg rechnen, daher hätten die Sicherheitsbehörden die betreffenden Unternehmen der kritischen Infrastruktur bereits vor einigen Tagen angesprochen. Dort seien bereits Vorkehrungen getroffen worden und würden laufend weiter getroffen, um die eigenen Schutzmechanismen zu stärken und zu überprüfen, so Grote.
Bisher gebe es aber keine Hinweise darauf, dass es in Deutschland bereits solche Angriffe gegeben hat. Darüber hinaus seien erhebliche wirtschaftliche Folgen sowie Probleme in der Versorgungssicherheit zu befürchten, sagte Tschentscher, der seine geplante Reise nach St. Petersburg abgesagt hat. „Die Vorbereitungen für die im April geplante Deutsche Woche in St. Petersburg werden seitens der Stadt Hamburg nicht fortgeführt.“ Die Städtepartnerschaft mit St. Petersburg bestehe aber weiterhin. „Diese Bündnisse haben gerade in Krisenzeiten eine wichtige Bedeutung.“
Das betonte auch Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD): „Unsere Städtepartnerschaft mit St. Petersburg besteht seit 65 Jahren. Nach den Maßstäben von Völkerrecht, Menschenrecht und Demokratie, die wir anlegen, hätte es für diese Freundschaft während des Kalten Krieges und anderer Krisen oft Anlass für Kritik gegeben.“ Solche Verbindungen seien aber eben nicht nur für gute Zeiten gemacht.
Senator Grote: Auswirkungen für innere Sicherheit
Innensenator Grote wies auf weitere Auswirkungen für die innere Sicherheit hin und bereits erfolgte Schutzvorkehrungen der Stadt hin. „Wir haben die Schutzmaßnahmen für das ukrainische, aber auch für das russische Generalkonsulat erhöht.“ Es sei aber auch wichtig zu wissen, dass keines der geschilderten Risiken auch eintreten muss. „Niemand muss in Panik verfallen.“
Am Donnerstag haben sich erneut Hunderte Menschen vor dem russischen Konsulat am Feenteich versammelt, um ihren Protest gegen den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine kundzutun. Die Stimmung war gespannt, mehrere der Teilnehmenden kämpften mit den Tränen. Der „Verein der Deutsch-Ukrainischen Zusammenarbeit“ hatte die Versammlung initiiert. Florina Malso Chudnovska, die Koordinatorin des Vereins, erklärte: „Unsere größte Angst ist, dass die Ukraine tatsächlich erobert wird und viele Menschen in unserem Land sterben. Wir fordern die Politik dazu auf, jetzt harte Sanktionen zu ergreifen.“
Unter den Teilnehmenden befand sich auch Sofia Oganesian, die seit zweieinhalb Jahren in Deutschland studiert. Sie berichtete, dass ihre Familie in Kiew um vier Uhr morgens von Kriegsgeräuschen und Sirenen geweckt worden sei. „Meine Familie wollte mit dem Auto zu Freunden nach Tschernobyl in die Westukraine fliehen, aber es gibt riesige Staus, deshalb ist es unmöglich, die Stadt zu verlassen. Sie sind wieder umgekehrt und warten nun zu Hause.“
Gemeinsam mit drei russischen Freunden hielt sie eine ukrainische Flagge in die Luft. Die drei betrachten es als ihre „Verantwortung, als Russen hier mit den Ukrainern zu stehen“. Mit selbst gebastelten Plakaten und lautem Getrommel taten die Teilnehmenden ihre Wut und Verzweiflung kund. Immer wieder stimmten sie die ukrainische Nationalhymne an und skandierten Parolen wie „Frieden in der Ukraine!“ und „Putin ist ein Terrorist!“ in Richtung des russischen Konsulats.
Vertreter der georgischen und belarussischen Gemeinden in Hamburg sprachen den ukrainischen Teilnehmenden in kurzen Reden ihre Unterstützung aus. Die Kundgebung verlief insgesamt friedlich.