Es ist richtig, die Prüfungen in diesem Jahr stattfinden zu lassen – mit Erleichterungen.

Um es gleich vorweg zu sagen: Es ist richtig, dass die Abiturprüfungen auch am Ende dieses von der Corona-Pandemie geprägten Schuljahres mit all seinen Schwierigkeiten stattfinden. Der Wunsch nach einer Streichung mag vor allem aus Sicht der Schülerinnen und Schüler verständlich sein – der Ausfall des Präsenzunterrichts, der holprige Wechsel in Hybrid- und Distanzunterricht sowie abstürzende digitale Lernprogramme haben den Abiturienten unbestreitbar Nachteile beschert. Dennoch wäre es falsch, deswegen auf die Prüfungen zu verzichten.

Es wäre gerade nicht im Sinne der jungen Menschen, die nun die Schulen verlassen werden, wenn sie gewissermaßen mit dem Makel eines „Abitur light“ – ohne die Kerndisziplin der Abschlussprüfung, die eine gewisse Reife erfordert – durchs Leben gingen. Andererseits müssen die Abi-Standards gewahrt bleiben, und dazu sind vollwertige Prüfungen erforderlich. Alles andere wäre ungerecht den vielen Abiturienten früherer Jahre und künftiger Generationen gegenüber. Es ist also nicht ganz trivial und bedarf sorgsamer Abwägung, um angesichts im Sinne der Fairness erforderlicher Erleichterungen nicht das Niveau des Abiturs insgesamt abzusenken.

Abi: Wechselseitige Anerkennung ist entscheidend

Dass sich die Kultusminister der Länder nicht wenigstens in dieser Ausnahmesituation auf einheitliche Abitur-Regeln verständigt haben, bleibt ein großes Ärgernis. Es hätte der Akzeptanz der Prüfungen bei Eltern, Schülerinnen und Schülern, aber auch bei Hochschulen und Unternehmen nur nützen können. Gut, die Ministerinnen und Minister haben sich immerhin auf einen Rahmen verständigt, innerhalb dessen die Länder ihre Änderungen der Abitur-Regeln vornehmen können.

Entscheidend ist aber letztlich, dass alle Länder die Abschlüsse dieses Jahres – wie sonst auch – wechselseitig anerkennen. Das ist eine notwendige Voraussetzung dafür, dass die Abiturprüfungen überhaupt stattfinden können. Es muss gewährleistet sein, dass sich ein junger Mensch, der in Hamburg Abi gemacht hat, in München um einen Studienplatz in Medizin bewerben kann.

Auf den Lehrkräften lastet große Verantwortung

Die Hamburger Schulbehörde geht mit den Erleichterungen für die Abiturienten in diesem Jahr einen deutlichen Schritt weiter als im vergangenen Jahr. Zu Recht: Die Abiturienten 2021 haben wesentlich weniger regulären Unterricht gehabt als ihre Vorgänger – fast ein halbes Schuljahr. Nur ein Beispiel: Im Hamburger Krisenfach Mathematik müssen daher in diesem Jahr weniger Themen für die Prüfung vorbereitet werden, weil die Themen eben auch weniger intensiv im Unterricht durchgenommen werden konnten. Das ist konsequent.

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So sinnvoll die Maßnahmen sind, kann und darf das alles nicht darüber hinwegtäuschen, dass vor allem auf den Lehrerinnen und Lehrern eine große Verantwortung lastet. Weil der regelmäßige, selbstverständliche Austausch mit den Schülern in der Schule schon über einen so langen Zeitraum ausbleibt, müssen die Pädagogen ihre Schüler auf anderem Weg erreichen. Das ist mühsamer und zeitaufwendiger, weswegen der überwiegende Verzicht auf eine Zweitkorrektur der Abi-Arbeiten in diesem Jahr ein richtiger Schritt zur Entlastung der Lehrer ist. Die Pädagogen müssen ihre Schüler wegen der pandemischen Vereinzelung jetzt möglicherweise stärker motivieren als sonst, ihnen vielleicht auch mal Mut zusprechen. Und für die Notenvergabe muss auch in diesem Jahr gelten: im Zweifel für den Schüler.

Das Abitur 2020 kann Zuversicht und ein wenig Gelassenheit stiften. Auch damals gab es große Bedenken gegen eine reguläre Abiturprüfung – und am Ende fiel die Durchschnittsnote sogar etwas besser aus als in den Jahren zuvor.