Hamburg. Kontinuität auf der Trainerposition bleibt beim HSV ein unmögliches Unterfangen. Dabei gibt es gute Gründe für das Aus Heckings.
Die Fakten in Kurzform: Der HSV hat die Saison verpatzt. Mal wieder. Der Trainer muss gehen. Mal wieder. Und auch die Zukunft sieht wenig rosig aus. Mal wieder. Oder in nur einem Satz: Mal wieder ist alles wie immer beim HSV.
Die Kurzanalyse ist tatsächlich kurz, vor allem ist sie aber eines: zu kurz gesprungen. Denn irgendwie ist die Entscheidung, dass sich Trainer Dieter Hecking und der HSV trennen, dann doch ein wenig anders als in den vergangenen Jahren. Fangen wir mit dem Positiven an: Tatsächlich ist Hecking nach Huub Stevens der erste HSV-Trainer, der in den vergangenen zwölf Jahren eben nicht vorzeitig gehen musste. Anders als seine 18 (!) Vorgänger seit 2008 durfte der 55-Jährige eine Saison lang in Ruhe arbeiten, ehe man sich nach den verpassten Zielen in die Augen sah und zum gemeinsamen Schluss kam, den ausgelaufenen Vertrag eben nicht zu verlängern.
Ein Grund zum Feiern ist diese Erkenntnis aber nicht. Anders als in den früheren Jahren hat der HSV zwar weder Ablöse noch Abfindung für Hecking verbrennen müssen, doch vom Ziel der Kontinuität sind die Clubchefs um Sportvorstand Jonas Boldt eben auch so weit entfernt wie nie zuvor. Bei der Hecking-Verpflichtung fragten die euphorisierten Fans: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ Ein Jahr später lautet die traurige Antwort: „Wahrscheinlich nie“.
Es gibt gute Gründe für das HSV-Aus Heckings
Die Trennung von Dieter Hecking ist gleichzeitig eine Trennung vom lange geträumten Traum, dass auch in Hamburg möglich sein muss, was sonst nur in Freiburg oder Heidenheim möglich ist. Freiburgs Christian Streich arbeitet seit acht Jahren im Breisgau, Frank Schmidt seit 13 Jahren in Heidenheim. Die Hoffnung, dass auch ein HSV-Trainer zumindest ein paar Jahre hintereinander im Amt ist, muss nach dem Hecking-Aus leider ein für alle Male beerdigt werden.
Dabei gibt es gute Gründe für das HSV-Aus Heckings: Die Ziele wurden verfehlt, der Fußball immer unansehnlicher, die Entwicklung der Mannschaft rückläufig, und auch eine Entwicklung von Talenten war nicht erkennbar. Doch eins plus zwei ergibt nicht immer drei.
So stieg auch Streich einst mit Freiburg ab – um im Jahr danach wieder aufzusteigen. Und Heidenheims Schmidt braucht sich auch keine Gedanken um seinen Job zu machen, sollte er an diesem Montag mit Pauken und Trompeten gegen Werder verlieren. Denn das Scheitern gehört nun mal zum Sport dazu – auch wenn zweite Chancen kaum gewährt werden. In Hamburg – auch beim FC St. Pauli – schon mal gar nicht.
Der HSV ist endgültig in der Zweiten Liga angekommen
So gesehen war der kurzzeitige Gedanke, dass Hecking nach einer Analyse die Fehler der Vorsaison erkennt, daraus lernt und es ab sofort besser macht, genauso charmant wie unrealisierbar. Wer gehofft hatte, dass sich dieses immer schneller drehende Hamsterrad möglicherweise durch die Corona-Krise verlangsamt, der sah sich getäuscht.
Nun heißt es also wieder: Der Nächste, bitte. Liest man sich die Namen der Nachfolgekandidaten von Dieter Hecking so durch, dann bleibt eine ernüchternde Erkenntnis: Der HSV ist nach zwei Jahren endgültig in der Zweiten Liga angekommen. Die Zielsetzung, nun endlich aufzusteigen, gibt es fortan genauso wenig wie die Erwartung, dass Trainer Nummer 20 nach Stevens länger bleiben wird als seine zahlreichen Vorgänger.
Ist der HSV für Trainer also ein hoffnungsloser Fall? Natürlich nicht! Denn sobald es nach der Sommerpause wieder losgeht, sind auch alle Erkenntnisse der Vorsaison Makulatur. Als Fan hofft man auf den Aufstieg und den einen Trainer, der für immer bleibt. Dieses irrationale Sammelsurium aus unbegründeter Hoffnung, nicht zu erklärenden Erwartungen und utopischen Träumen nennt sich dann „Fußball“. Oder kurzum: mal wieder alles wie immer beim HSV.