Hamburg. Schleswig-Holstein verstört Hamburger am Wochenende mit Abschottung und Grenzkontrollen in Zeiten von Corona.
Die Szenen, die sich an diesem Wochenende an Hamburgs Landesgrenzen abspielten, erinnern eher an spätmittelalterliche Kleinstaaterei denn an modernen Föderalismus – und zeugen kaum von einem effektiven, gemeinsamen Krisenmanagement in Zeiten von Corona. Uniformierte Polizisten hatten Kontrollposten aufgebaut, um zu verhindern, dass Hamburger in der Nachbargemeinde jenseits der Landesgrenze einkaufen oder spazieren gehen. Sogar Radfahrer wurden angehalten und zurückgeschickt.
Mit dem Hund in der nahe gelegenen, einsamen Feldmark laufen statt im überfüllten Stadtpark? Verboten. Während Wedeler am Elbstrand von Blankenese flanieren dürfen, ist die weitläufige Wedeler Marsch für Hamburger Tabu. Für eine derart aberwitzige Regelung dürfte den meisten Menschen jedes Verständnis fehlen. Abgesehen davon sollte man meinen, dass es für die Polizeikräfte in dieser schwierigen Zeit dringlichere Aufgaben geben müsste, als in großer Zahl eine Landesgrenze zu bewachen, die wir als solche schon lange nicht mehr wahrgenommen hatten.
Schleswig-Holsteins Verhalten hat Methode
Als Schleswig-Holstein kürzlich alle Hamburger, die sich bereits in ihren Ferienwohnungen und -häusern an den Küsten aufhielten, brüsk aufforderte, das Land umgehend zu verlassen und diese Anordnung dann nach heftigen Protesten wenig später wieder zurücknahm, tat Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) das Ganze noch als ein Missverständnis ab. Doch nun zeigt sich: Die ausgesprochen unfreundliche Abgrenzung der nördlichen Nachbarn hat ganz offensichtlich Methode.
Coronavirus – die Fotos zur Krise:
Wenn es darum geht zu verhindern, dass Ausflügler oder Feriengäste derzeit massenhaft an die Strände von Nord- und Ostsee streben und so das Ansteckungsrisiko erhöhen, mag das von der Kieler Jamaika-Koalition verfügte Einreiseverbot seinen Sinn haben. Im alltäglichen Austausch zwischen den Hamburger Stadtteilen und den Gemeinden des Umlands, die im Sinne einer Metropolregion eng miteinander verflochten sind, ist es unsinnig. Entscheidend ist, dass das Abstandsgebot eingehalten wird.
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Politik gefährdet Idee der Metropolregion
Doch das gilt hüben wie drüben. Wenn sich Menschen derzeit in den Zug setzen dürfen, um nach Berlin zu reisen, aber nicht im Wald um die Ecke spazieren gehen können, wird das das Zutrauen der Bürger in das Krisenmanagement „der Behörden“ nicht eben stärken.
Für viele Bürger am Hamburger Stadtrand liegt der nächste Supermarkt, der nächste Bäcker oder die Gärtnerei in der Nachbargemeinde jenseits der Landesgrenze. Umgekehrt nutzen die Menschen aus den Umlandgemeinden wie selbstverständlich die gut ausgestattete Hamburger Infrastruktur. Eben dies ist die Idee der Metropolregion.
In Hamburg kommt bisher niemand auf die Idee, den Bürgern aus dem schleswig-holsteinischen Umland die Aufnahme in den Krankenhäusern der Hansestadt zu verweigern. Was jetzt gefordert ist, ist Solidarität. Ein gemeinsamer Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus.
Corona: Schleswig-Holstein riskiert viel
Seit Langem kooperieren Hamburg und Schleswig-Holstein in vielen Bereichen eng; das Verhältnis der beiden nördlichen Bundesländer galt zumeist als ausgesprochen gut – ganz egal, wer gerade regierte. Doch nun zeigt sich, dass dies in Zeiten der Krise offenbar wenig Wert ist. Interessant, was man in dieser Ausnahmesituation über den anderen lernt!
Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) hatte bereits durch ihren (gescheiterten) Alleingang beim Thema Abitur verstört.
Mit seiner unfreundlichen Politik der Abschottung läuft Schleswig-Holstein Gefahr, die Beziehungen zum südlichen Nachbarn dauerhaft zu beschädigen. Da wird etwas nachbleiben. Auch dann, wenn die Coronapandemie irgendwann vorbei sein wird.