Die katholische Kirche feiert das Jubiläum des flächenmäßig größten Bistums Deutschlands – das in mehr als einer Krise steckt.
Der Festgottesdienst am Dienstag ist endlich wieder einmal ein Grund für die Katholiken zu feiern – vor 25 Jahren gründete sich als Folge der Wiedervereinigung das Erzbistum Hamburg. Es verband mit Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg Länder der alten Bundesrepublik mit Teilen der früheren DDR. Inzwischen muss man eingestehen, dass die schöne Idee einen schweren Konstruktionsfehler hatte. Offenbar war das flächenmäßig größte, von der Zahl der Gläubigen aber kleine Bistum zu finanzschwach in die Selbstständigkeit entlassen worden. Dieser Geburtsfehler belastet das Bistum bis heute.
Der junge Erzbischof Stefan Heße war vor vier Jahren angetreten, die finanzielle Schieflage zu beheben – und hat nach der finanziellen Krise ungewollt eine Identitätskrise ausgelöst. Die Stimmung in der katholischen Kirche in Hamburg ist so schlecht wie nie: Gläubige wenden sich ab oder treten aus, selbst Pfarrgemeinderatsmitglieder konvertieren, und erzkatholische Christen gehen in der Öffentlichkeit auf massiven Konfrontationskurs mit dem Bischof.
Das Erzbistum schlug die helfende Hand brüsk aus
Auslöser und Verstärker dieser Wut ist der unselige Beschluss von 2018, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion sechs katholische Schulen zu schließen. Diese Lernräume stehen mehr noch als viele Gotteshäuser in der Hansestadt für die Tradition katholischen Lebens. Sie sind zugleich vorbildliche Lernorte der Zukunft. Hier werden christliche Werte in einer modernen Gesellschaft gelebt, die immer bunter und weniger religiös wird.
Wie beliebt diese Schulen sind, zeigte die bundesweite Solidarität, nachdem die Schließungspläne bekannt wurden: Ex-Bürgermeister Ole von Beust, die grüne Politikerin Katrin Göring-Eckardt, Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel oder Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse wollten wie Hunderte weitere Gläubige mittels einer Schulgenossenschaft alle Schulen retten. Doch das Bistum glaubte eher den Zahlen seiner Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young als an das Engagement der Gläubigen – und schlug die helfende Hand brüsk aus.
Verhältnis zwischen dem Bistum und der Politik ist beschädigt
Obwohl das Bistum zwei der gefährdeten Schulen nun weiterbetreibt und auf seine Kritiker zuging, ist keine Ruhe eingekehrt. Ganz im Gegenteil schrecken neue Sparideen und die Zusammenlegung der Gemeinden die Gläubigen auf. Zugleich wachsen die Zweifel an den Zahlen des Bistums, welche die Grundlage der beispiellosen Sparpolitik sind: Mehrere renommierte Geschäftsleute um den Unternehmer Eugen Block haben einen eigenen Prüfer der Kirchenfinanzen beauftragt und werfen dem Bistum nun vor, dass es sich künstlich arm rechne. Über Zahlen lässt sich streiten; Fakt aber ist, dass die Kirchensteuereinnahmen aufgrund der boomenden Konjunktur weit über allen Erwartungen liegen. Noch, muss man anmerken.
Das Verhältnis zwischen dem Bischof und seinen Kritikern wie zwischen dem Bistum und der Hamburger Politik gilt als schwer beschädigt – darüber kann nicht hinwegtäuschen, dass zur Feier im Dom am Dienstag mit Peter Tschentscher und Daniel Günther gleich zwei Ministerpräsidenten zugesagt haben.
Von der Finanz- zur Glaubenskrise
Gefährlicher als jede Finanzkrise ist längst die Glaubenskrise: Mit den Schulen sterben Teile des Gemeindelebens, veröden die Kirchen, mit Zusammenlegungen von Gemeinden geht eine religiöse Heimat verloren: Gläubige ziehen sich frustriert zurück, neue Mitglieder wachsen kaum nach. Die Volkskirche von einst droht zum heiligen Rest zu verdunsten.
Der Kölner Stefan Heße (53) kam als Hoffnungsträger nach Hamburg, nicht zuletzt, weil er bei seiner Bischofsweihe noch keine 50 Jahre alt war. Heute treibt manche zur Verzweiflung, dass dieser Bischof der Hansestadt noch 22 Jahre erhalten bleiben könnte.