Hamburg.
Die Idee ist spätestens seit der Finanzkrise aktuell: Als Spekulanten die Weltwirtschaft 2007/2008 wieder einmal an den Rand des Kollapses gezockt hatten, besannen sich kluge Köpfe auf die Tobin-Steuer.
Der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler James Tobin hatte schon 1972 vorgeschlagen, eine Finanztransaktionssteuer auf Devisengeschäfte zu erheben: Sie sollte zum einen Spekulationen unwirtschaftlicher machen und so Schwankungen an den Finanzmärkten eindämmen, zum anderen zusätzliche Einnahmen dort erwirtschaften, wo es die Gerechtigkeit verlangt – bei internationalen Großinvestoren, Hedgefonds, Investmentbanken. Das Geld sollte dann in die Entwicklungshilfe fließen.
EU bastelte seit 2011 an einer Finanztransaktionssteuer
Eine charmante Idee, die aber schnell an den realen Gegebenheiten scheiterte – denn sie funktioniert nur weltweit. Staaten, die der „Finanzindustrie“ eine nachhaltige Wertschöpfung zubilligen, hielten dagegen; schon in der Europäischen Union ließ sich keine Einigkeit erzielen, weil Briten und Schweden schnell querschossen.
Schließlich bastelte die EU-Kommission seit 2011 an einer Finanztransaktionssteuer auf Aktien, Anleihen und Derivate. Von Devisen war da schon keine Rede mehr, später fielen auch die Anleihen heraus. Und nun kommt hierzulande die kleinste aller Varianten – nur auf Aktien.
Die veranschlagten Einnahmen in Höhe von rund 1,5 Milliarden Euro, man ahnt es bereits, landen nicht in der Entwicklungshilfe, sondern sollen die Grundrente gegenfinanzieren. Eine einstmals gute Idee ist endgültig ad absurdum geführt worden. Zudem werden nicht nur Großspekulanten zur Kasse gebeten, sondern auch Kleinsparer. Und der „Europäischen Union“ der noch 27 sind 17 Staaten zwischenzeitlich von der Fahne gegangen. Mit von der Partie sind nur noch Belgien, Griechenland, Spanien, Frankreich, Italien, Österreich, Portugal, Slowenien, die Slowakei und Deutschland.
Olaf Scholz will künftig 0,2 Prozent von Aktien-Umsätzen abziehen
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat einen Gesetzentwurf vorgelegt und will künftig von Aktien-Umsätzen 0,2 Prozent steuerlich abziehen. Das gilt allerdings nur für Aktien von großen Unternehmen, deren Unternehmenswert höher als eine Milliarde liegt – ein Kriterium, das knapp 150 Aktiengesellschaften betrifft. Bei jedem Kauf in Höhe von 10.000 Euro fällt also eine Extrasteuer von 20 Euro an – zusätzlich zu den Gebühren. Betroffen sind nicht nur Aktienfonds, sondern auch Riester- und Rürup-Verträge, die in Aktien investieren.
In einem normalen wirtschaftlichen Umfeld wäre das noch akzeptabel – aber wir leben längst nicht mehr in normalen Zeiten. Sparer ächzen seit Jahren unter einer Nullzinspolitik; die ersten Kreditinstitute verlangen sogar Negativzinsen. Im Klartext: Das Geld verzehrt sich selbst.
Wer vor zehn Jahren 10.000 Euro auf ein Sparbuch legte, hat heute unter Einbeziehung der Inflation Geld verloren. Wer hingegen seine Ersparnisse in deutsche Standardaktien investiert hat, hat seine Anlage mehr als verdoppelt. Auch wenn die Rallye des vergangenen Jahrzehnts auf Rekordhöhen so nicht weitergehen dürfte, schlagen selbst bei stagnierenden Aktienmärkten die Dividenden jeden Zins: Ihre Rendite liegt bei rund 3,3 Prozent.
Deutsche halten am Sparbuch fest
Doch das Geld fließt derzeit an ausländische Investoren: Laut einer Studie der Wirtschaftsberatung EY haben die DAX-Konzerne 19,8 Milliarden Euro Dividende ins Ausland überwiesen, nur 12,5 Milliarden Euro blieben hier. Die Deutschen halten lieber am Sparbuch fest: Unfassbare 2,5 Billionen Euro liegen auf der hohen Kante und werden von Tag zu Tag weniger wert.
Gerade Kleinanleger wagen sich nicht an Aktien heran – es profitieren nur die, die ohnehin haben. Das könnte für einen SPD-Finanzminister ein großes Thema sein – stattdessen erschwert er das Aktiensparen zusätzlich.
Der Hamburger Hans-Walter Peters, Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, ärgert sich, dass „die Negativzinspolitik der EZB und die Aktiensteuer den Sparer jetzt von zwei Seiten in die Mangel“ nehmen. Und der CDU-Parlamentarier Christoph Ploß fragt zu Recht: „Ist es gerecht, wenn Olaf Scholz für die Grundrenten die Kleinanleger schröpft, die mit ihrem hart erarbeiteten Lohn in Aktien investieren wollen, um fürs Alter vorzusorgen?“
Von derlei Kritik wird sich der Bundesfinanzminister kaum beeindrucken lassen – Scholz will vermutlich seine eigenen Leute begeistern. James Tobin würde nicht dazugehören.