Ein Bandenkrieg erschüttert Schweden. Für Matthias Iken ein klares Indiz, dass die Integrationspolitik des Landes gescheitert ist.

Wenn die Deutschen an Schweden denken, werden sie sentimental: Sie sehen Holzhäuser und Bullerbü, Abba und Elche, Ikea und Volvo, Sozialstaat und Gleichheit. Dieser Mythos ist so stark, dass man ihn nicht durch Fakten erschüttern möchte. Leider war Schweden nie so, wie wir Deutschen nach zwei Wochen Sommerfrische und drei Astrid-Lindgren-Büchern dachten. Es ist ein wunderschönes Land, in dem der Autor dieser Zeilen selbst gelebt hat. Es ist aber kein Paradies. Und zuletzt kommen Nachrichten aus Schweden, die uns aufhorchen lassen sollten.

Während hierzulande die Integration von Migranten besser läuft, als uns notorische Nörgler vom rechten Rand glauben machen, ist im Norden vieles danebengegangen. Die Integrationspro­bleme befeuern die Bandenkriege, die schwedische Großstädte erschüttern. Jetzt hat Dänemark sogar wieder Grenzkontrollen zu Schweden eingeführt, um keine Gewalt zu importieren.

Die "humanitäre Großmacht" wankt

Tatsächlich passen die Meldungen weder zum deutschen Mythos noch zum schwedischen Selbstbild: Die Mordrate ist im Norden inzwischen höher als hierzulande, immer mehr Menschen greifen zu Waffen: Die Zahl der Toten durch Schusswaffen hat sich seit 2011 mehr als verdoppelt. Vor einigen Tagen wurde ein 15-Jähriger vor einer Pizzeria erschossen, ein weiterer Junge schwer verletzt. Im August wurde eine Ärztin ermordet, die ihr Baby auf dem Arm hielt. Im ersten Halbjahr gab es 120 Explosionen im Land, 45 Prozent mehr als im Vorjahr

Die Ursachen für die Eskalation der Gewalt sind vielfältig, doch ein Grund wird fast immer genannt: die in zu vielen Fällen gescheiterte Integration von Zuwanderern. Schweden fühlte sich seit Tagen eines Olof Palme als „humanitäre Großmacht“ und verfolgte bis 2016 eine großmütige Einwanderungspolitik. Kein Staat in Europa hat prozentual mehr Menschen aufgenommen.

Schweden ließ den Dingen zu lange ihren Lauf

Leider gelang es dem Land aber zu wenig, die neuen Mitbürger in die schwedische Gesellschaft zu integrieren. Auf der einen Seite blieben viele Einheimische lieber unter sich, zum anderen förderte der Staat ausdrücklich die Pflege der Herkunftskultur. Schnell entstanden Parallelgesellschaften: Da Zuwanderung kaum gesteuert wurde, ballten sich Migranten in einzelnen Stadtteilen, in denen bis heute Arbeits-, Perspektiv- und Chancenlosigkeit regieren.

Lange Zeit ließ Schweden die Dinge laufen: Das Fördern stand im Mittelpunkt, das Fordern war verpönt. Integration hielten viele für einen Automatismus. Multikulturalität galt so lange als tolle Sache, wie sie nicht die eigene Lebenswelt betraf. Und Probleme, die nicht ins politische Weltbild passten, wurden ausgeblendet, verniedlicht, kleingeredet. Schweden machte es genau so, wie es manche Mi­grationsschwärmer heute in Deutschland immer noch empfehlen.

Bandenkriege, das beherrschende Thema im Norden

Erst am Sonntag verneinte Ministerpräsident Stefan Löfven einen Zusammenhang zwischen Bandenkriminalität und Migration – und erntete Widerspruch in der eigenen Partei und Kopfschütteln im Land. Die schwedische Gesellschaft hat viele Menschen abgehängt – vor allem Migranten. Die Banden rekrutieren junge Männer der zweiten und dritten Einwanderergeneration und setzen in der friedlichen schwedischen Konsensgesellschaft ihre eigenen Regeln.

„Wir sehen international nichts Vergleichbares“, sagt Malmös Polizeichef Thornberg. „Es scheint, als ob die Rachefeldzüge der Kriminellen der Öffentlichkeit näher und näher rücken.“ Längst sind die Bandenkriege das beherrschende Thema im Norden – zwar betreffen die Probleme die Großstädte, die Angst aber frisst sich in die ganze Gesellschaft.

Mahnung aus dem Norden: Schwedendemokraten stärkste Kraft

Die rot-grüne Minderheitsregierung hat ihre Politik angepasst: Mit einem 34-Punkte-Plan zur Bekämpfung der Bandenkriminalität und 10.000 neuen Polizisten will die Regierung Vertrauen zurückgewinnen. Der Druck von rechts wird derweil immer stärker. Die bürgerlichen Parteien, die Moderaten und die Christdemokraten, unterstützten im Parlament nun erstmals einen Antrag der rechtspopulistischen Schwedendemokraten. Die haben in einer Umfrage mit 24 Prozent die Sozialdemokraten als stärkste Partei abgelöst.

Das sollte den Deutschen Mahnung und Warnung zugleich sein.