Hamburg. Immer mehr Verspätungen. Ohne die Stadtbahn dürfte die Verkehrswende kaum gelingen.
Dieses Ergebnis vermag nur den zu überraschen, der niemals Bus fährt: Die Busse in der Hansestadt werden immer unpünktlicher. Nur noch 93,3 Prozent sind pünktlich, wobei Verzögerungen von weniger als fünf Minuten großzügig noch als „pünktlich“ gelten. Immer häufiger stehen Busse im Stau – und die Hamburger an den Haltestellen. Dieses Ergebnis ist so überraschend wie Straßenglätte im Winter, eine Niederlage des FC St. Pauli in Aue oder kreischende Fans bei Robbie Williams.
Die Hansestadt Hamburg setzt seit Jahrzehnten aufs falsche Pferd, genauer gesagt auf den Bus. Schon die Abschaffung der Straßenbahn, die bis 1978 durch die Hansestadt rollte, war ein schwerer Fehler – aber einer, der aus der Zeit heraus verstanden werden muss. Damals glaubte man an die autogerechte Stadt und damit an den Bus; die Straßenbahn nutzten nur Nostalgiker.
Klimaschutzgesetz auf dem Weg
Allerdings ist in den vergangenen 40 Jahren vieles passiert – und in den vergangenen 40 Wochen noch mehr. Intensiver, lauter und nachdrücklicher als je zuvor fordern viele Hamburger eine Klima- und Verkehrswende. Erst am Mittwoch hat der Senat ein neues Klimaschutzgesetz auf den Weg gebracht. Da ist es nur konsequent, auch den Verkehr neu zu denken und die Weichen anders zu stellen. Mit seiner Fixierung auf den Bus als Lösung jedenfalls ist Hamburg auf dem Holzweg.
Wer die deutschen Metropolen vergleicht, findet unter den 15 größten Städten 14 mit einer Straßen- oder Stadtbahn; die erste Großstadt ohne Straßenbahn ist Wuppertal auf Platz 17; dort hat man die Schwebebahn. Auch wenn Hamburg über ein gutes U- und S-Bahn-Netz verfügt und hier zu Recht weiter investiert, fehlt ein System zwischen Schnellbahn und Bus. Natürlich wird niemand mit Verstand eine Stadtbahn bis in die Vier- und Marschlande bauen, weil Busse hier das klügere System bleiben. Aber genauso wenig sollte Hamburg sich weiterhin eine Metro-Buslinie wie die 5 leisten. Mitunter brüsten sich die Hamburger ja damit, hier die europaweit meistgenutzte Buslinie zu haben. Andersherum wird ein Schuh daraus: Keine Metropole käme auf so eine seltsame Idee, die hohe Verkehrsnachfrage mit Bussen zu bedienen.
Beschleunigungsprogramm macht Busse nicht attraktiver
Auch das Busbeschleunigungsprogramm, das 259 Millionen Euro verschlingt, hat das Bussystem kaum attraktiver gemacht: Es mag manche Linien minimal beschleunigen – bequemer und leistungsfähiger aber werden Busse nicht. Daran ändern auch Wasserstoff- oder Elektroantriebe nichts. Wer Menschen in einer wachsenden Stadt zum Umsteigen bewegen will, benötigt attraktive Systeme. Die Franzosen etwa versprechen Städten gleich ein „neues Antlitz“ mit Rasengleisen und schicken Haltestellen und haben in den vergangenen Jahrzehnten 30 Milliarden Euro in fast 30 neue Netze investiert. Der Vorteil: Stadtbahnen sind deutlich günstiger als U-Bahnen – und viel schneller gebaut.
Allerdings bedarf es für eine konsequente Verkehrswende hin zur Stadtbahn eines Konsenses der wichtigen Parteien in Hamburg. In der Vergangenheit war die Stadtbahn eher ein Spielzeug der Ideologen mit seltsamen Planungen, überzogenen Erwartungen und demonstrativem Widerstand. Gleich zweimal wurden geplante Trassen in Hamburg nach der Wahl gestoppt – das hat viel Geld und Zeit verschwendet und den Verkehrsträger diskreditiert. Nun ist es Zeit für einen Verkehrsfrieden.
Die Chancen dafür stehen so gut wie nie: Die Grünen waren immer dafür. Die CDU, einst erbitterter Gegner der Stadtbahn, hat nun selbst den Plan für eine Trasse in Altona vorgelegt, die eine echte Prüfung verdient hat. Und der größte Gegner des Verkehrssystems in Hamburg, Olaf Scholz, ist längst in Berlin.