Verbote und Verzichtspredigten bringen wenig. Wir müssen technische Lösungen entwickeln.
Es ist gerade ein Jahr her, dass der Protest von Greta Thunberg für mehr Klimaschutz die ersten Nachahmer fand. Noch im Dezember 2018 waren es hierzulande nur wenige Hundert Schüler, die den Unterricht schwänzten unter dem Motto: „Wir streiken, bis ihr handelt.“ Inzwischen ist daraus eine Massenbewegung geworden. Endlich bewegt sich etwas: Keine Partei, kein Unternehmen, keine Verein kann sich der Debatte mehr entziehen. Der Handlungsdruck wächst.
Für die Umweltverbände ist das ein schöner Erfolg – aber nicht ohne Brisanz. In einer Zeit, in der selbst Billigflieger Easyjet und Moderiese Zalando klimaneutral arbeiten wollen oder die CDU Hamburg die Stadtbahn für sich entdeckt, droht das Alleinstellungsmerkmal der Umweltverbände verloren zu gehen. Wo sich alle grün geben oder schminken, fällt man als Grüner kaum noch auf.
Wer sich unterscheiden will, muss sich fast zwangsläufig radikalisieren. Die Mitglieder von „Extinction Rebellion“ (Rebellion gegen das Aussterben) setzten auf Blockaden und zivilen Ungehorsam, die Kohlegegner von „Ende Gelände“ haben Berührungspunkte zum Linksextremismus. Peu à peu verschieben sich in der Klimadebatte Maß und Mitte. In diesem Kontext muss man den Vorstoß des Umweltverbands BUND für ein klimaneutrales Hamburg bis 2035 oder die Besetzung von Robin Wood am Flughafen verstehen. Auch hier wird die Sprache schriller („Klimanotstand“), werden die Aktionen wütender, die Forderungen radikaler.
Und radikal ist das Klimapapier des BUND zweifelsohne. Die Stadt bis zum Jahr 2035 „klimaneutral“ zu machen ist ein schönes Ziel. Manche Vorschläge mögen dorthin helfen: Parken zu verteuern, um den Nahverkehr auszubauen, klingt vernünftig – ebenso wie der Ausbau von Radwegen und Bahnen. Wenn Hamburg den Umstieg vom Auto auf den öffentlichen Nahverkehr hinbekommen möchte, können Busse allein jedenfalls keine Lösung sein. Auch die Forderungen, von 2035 an nur klimaneutrale Flüge zu erlauben und auf ökologischen Landbau zu setzen, sind nachvollziehbar.
Die Summe aller Forderungen aber ergibt trotzdem keine Lösung: Vielmehr könnte sie uns neben der Klimakrise noch eine Demokratiekrise bescheren, weil sie die Menschen nicht mitnimmt. Der Kampf gegen das Auto geht für die Umweltschützer weiter, obwohl die Hersteller derzeit Milliarden in alternative Antriebe investieren. Wer wie der BUND jeden Straßenbau einstellen will und bis 2035 private Autos faktisch aus der Stadt verdrängt, spielt mit dem Wohlstand der Nation. Wer zudem Wohnungsbau einschränkt, riskiert soziale Verwerfungen.
Der Plan krankt an einem Denkfehler: Das Weltklima lässt sich nicht in Hamburgs Grenzen retten; und ein solch radikales Programm dürfte auch in keinem Land der Welt eine demokratische Mehrheit finden. Trotzdem: Die Deutschen sollten Vorreiter sein – aber dafür müssen sie in die richtige Richtung reiten. Quasireligiöse Verzichtspredigten und Verbote bringen kaum weiter. Eine CO2-neutrale Stadt, die sozial und wirtschaftlich zerrüttet ist, taugt allenfalls als abschreckendes Beispiel.
Vorbilder können nur funktionierende Gesellschaften mit einer gesunden Wirtschaft sein. Es muss darum gehen, neue Technologien und Antriebe zu entwickeln, eine Kreislaufwirtschaft zu schaffen. Dafür müssten Milliarden in Universitäten, Forschungseinrichtungen und Firmengründungen fließen, es bedarf eines Apollo-Programms 2.0. Diesmal geht es nicht um den Mond, sondern die Welt. Geld genug wäre da – aber gerade in Deutschland wird viel zu wenig in die Zukunft investiert. Seltsam, dass sich die Umweltverbände, „Fridays for Future“ und Greta darüber nicht empören.