Hamburg. Katharina Fegebank will Bürgermeisterin werden. Ein spannender Wahlkampf steht bevor. Ein Kommentar von Chefredakteur Lars Haider.

Das ist ein kleiner Schritt für die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank und ein großer für Hamburgs Grüne. Seit Sonnabend ist die Zeit der selbstauferlegten Bescheidenheit, der gebremsten Ambitionen vorbei. Bisher galt: Wir Grüne heben nicht ab, auch wenn der Teppich, auf dem wir sitzen, fliegt. Ab jetzt gilt: Wir Grüne wollen es wissen, wir tun nicht mehr so, als würde uns die Rolle eines Juniorpartners in einem Hamburger Senat reichen.

Das ist mutig, natürlich, aber auch richtig. Denn wenn die Grünen nicht jetzt Anspruch auf den Posten des Ersten Bürgermeisters erheben würden – wann bitte schön dann? Viel besser kann die Ausgangsposition nicht sein: Die Umfragewerte der Grünen sind seit Monaten auf Rekordwerten, die Klimadiskussion ist das beherrschende politische Thema – und Hamburg eine der Hochburgen der Fridays-for-future-Bewegung. Die Grünen haben in Hamburg eine beliebte Spitzenkandidatin und auf Bundesebene zwei Parteivorsitzende, die zusätzlich Wähler mobilisieren können. Und die Hamburger SPD muss in einer Phase in den Wahlkampf starten, in der die Mutterpartei so schwach wie nie ist.

Wer wird künftig die Bundes-SPD führen?

Kommt hinzu, dass niemand heute sagen kann, wer denn im Januar auf Bundesebene Parteivorsitzender ist, und ob es dann überhaupt noch eine Große Koalition gibt. Wenn die SPD diese Ende des Jahres aufkündigen sollte, wenn statt des Hamburgers Olaf Scholz und seiner Partnerin Klara Geywitz ein anderes Team die SPD anführt, dann wird der Gegenwind aus Berlin für die Hamburger Sozialdemokraten zu einem Orkan.

Lars Haider ist Chefredakteur des Hamburger Abendblatts.
Lars Haider ist Chefredakteur des Hamburger Abendblatts © HA | Andreas Laible

Wie es auch immer kommt: Hamburg steht einer der spannendsten Wahlkämpfe seiner jüngeren Geschichte bevor. Das Duell Mann gegen Frau hat es in der Hamburger Politik noch nie gegeben, und es wird natürlich auch eine Rolle spielen – weil Katharina Fegebank die erste Bürgermeisterin überhaupt wäre. Dass mit ihr und Peter Tschentscher die beiden Spitzen der erfolgreich regierenden rot-grünen Koalition gegeneinander antreten, sorgt für weitere Brisanz. Und dann stehen sich auch zwei personifizierte Politikmodelle gegenüber: Hier der analytische, ruhige und auf Interessenausgleich bedachte Tschentscher, dort die empathische, fröhliche Fegebank, die nicht nur im Rathaus, sondern auch in Hamburg überhaupt Mut beweisen will. Der grüne Weg für Hamburg wird, gerade was die Klimadiskussion angeht, ein radikaler sein, Stichworte: autofreie Innenstadt, Solardächer auf allen Häusern, usw. Fegebank und ihre Partei glauben, dass die Zeit der kleinen Schritte vorbei sein muss und dass Hamburg in Sachen Klimaschutz ein Vorreiter sein kann. Und sie sehen sich bestätigt in den Erfolgen von Greta Thunberg und Luisa Neubauer, die mit ihren radikalen Forderungen mindestens genauso viele Menschen begeistern wie verschrecken.

Ein gewagter Schritt von Hamburgs Grünen

Der Schritt der Grünen ist nicht nur mutig, er ist auch gewagt. Denn zum ersten Mal haben sie in Hamburg auch etwas zu verlieren. Wenn es nicht zu einem Bündnis ohne die SPD, oder, und das ist wirklich unwahrscheinlich, mit der SPD als Juniorpartner, reicht, wäre das am Ende eine Niederlage. Das wird Katharina Fegebank („Wer führen will, muss fröhlich sein“) bewusst sein: No risk, no fun. Wer aber wirklich Verantwortung übernehmen will, kann sich gar nicht anders entscheiden als die Zweite Bürgermeisterin, die es übrigens im persönlichen Duell mit dem amtierenden Bürgermeister nicht einfach haben wird. Tschentscher nimmt seine Rolle von Monat zu Monat besser an, er ist besonders stark, wenn er auf starke Gegner trifft. Und er wäre gut beraten, dem Duell mit seiner Herausforderin nicht auszuweichen, sondern es so oft es geht anzunehmen. Eine erste Gelegenheit im Herbst auf Einladung des UV Nord lässt Tschentscher schon mal aus, und schickt seine Sozialsenatorin, Melanie Leonhard.

Das ist deshalb nicht klug, weil sich die Bürgerschaftswahl jetzt auf das Spitzenduell verengen wird - und weil Tschentscher jenseits von Umweltschutz und Wissenschaft sicher in Diskussionen gegen Fegebank mit seinem Wissen punkten genauso kann, wie es sein Vorgänger Olaf Scholz gekonnt hätte - und der gilt als einer der kompetentesten Politiker des Landes.

Eine mittelgute Nachricht ist der Zweikampf um die Macht im Rathaus übrigens für die CDU. Einerseits dürfen die Konservativen hoffen, künftig Mehrheitsbeschaffer für Tschentscher oder Fegebank zu werden. Andererseits müssen sie befürchten, im Licht des Zweikampfes kaum noch wahrgenommen zu werden. Was sagte ein führender SPD-Politiker vor wenigen Tagen: „Ich glaube nicht, dass die CDU in Hamburg über zehn Prozent kommt…"