Soll das Projekt der Stadtbahn wiederbelebt werden? Oder soll die Willy-Brandt-Straße unter die Erde? Der Wahlkampf hat begonnen.

Man kann die beiden jüngsten Vorstöße der CDU und der Grünen zur Hamburger Verkehrspolitik als Zombie-Debatten diskreditieren, als tiefen Griff in die Mottenkiste. Die Wiedereinführung der Stadtbahn, die gleich zweimal krachend in Hamburg gescheitert ist, oder die Verlegung der Willy-Brandt-Straße in einen Tunnel, die vor drei Jahren die Handelskammer so laut wie vergeblich eingefordert hatte, klingen nach altem Wein in neuen Schläuchen. Aber bevor die Debatte nonchalant abgeräumt wird, sei an Victor Hugo erinnert: „Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“

Derzeit gerät vieles in Bewegung: Die Klimaschutzdebatte wird viel intensiver geführt als noch vor wenigen Monaten, die Verkehrswende ist drängender denn je. Die Zeiten haben sich geändert – und da können Ideen, die noch vor Kurzem schräg oder gar verrückt schienen, plötzlich einen neuen Zauber entwickeln und eine echte Chance bekommen.

Die Stadtbahn etwa war schon zweimal auf gutem Wege – bevor ein Regierungswechsel das Wunschprojekt der Grünen abräumte. 2001 stoppte der Senat unter Ole von Beust (CDU) die rot-grünen Planungen einer Stadtbahn zu den Arenen; 2010 befand sich der erste Abschnitt einer Stadtbahn von Altona nach Bramfeld sogar schon in der Planfeststellung, als das schwarz-grüne Bündnis zerbrach. Es war eine der ersten Entscheidungen des damaligen Bürgermeisters Christoph Ahlhaus (CDU), das Prestigeprojekt des Ex-Partners zu beerdigen.

Was für eine Stadtbahn spricht

Bis heute hängen die Grünen an ihrer Stadtbahnvision – und mit einem knappen Jahrzehnt Abstand müssen auch manche Kritiker eingestehen: zu Recht. Dieser Verkehrsträger hätte in Hamburg eine Menge der Probleme lösen können, die uns heute beschäftigen. Sie hätte der Hansestadt möglicherweise sogar ein attraktiveres und moderneres Gesicht gegeben.

Inzwischen hat sich Hamburg für den Bau der U-Bahn entschieden. Beim großen Verkehrsgipfel des Abendblatts lehnten die Chefs des ÖPNV aus diesem Grund eine Stadtbahn rundheraus ab. Die Grünen werden also neue Routen und neue Argumente benötigen, um diese Skepsis zu überwinden.

Manches spricht trotzdem weiterhin für die Stadtbahn: Sie ist für die Nutzer attraktiver als Busse – und so eher geeignet, Menschen zum Umstieg auf den öffentlichen Nahverkehr zu bewegen. Und sie ist um ein Vielfaches billiger als der Bau weiterer U-Bahnen. Gerade in den kommenden Zeiten, in denen Finanzsenatoren nicht mehr mit üppigen Steuereinnahmen rechnen dürfen, wird dieses Argument an Schlagkraft gewinnen.

Tunnel durch die City? CDU-Vorstoß hat Schwäche

Hierin liegt eine Schwäche des Vorstoßes der Union. Sie fordert in ihrem Wahlprogramm, die Willy-Brandt-Straße in einen Tunnel zu verlegen. Die Kosten belaufen sich auf bis zu eine Milliarde Euro. Die Umsetzung – man erinnere nur an den A-7-Deckel – dürfte die Stadt über Jahre verkehrlich blockieren.

Auf der anderen Seite zielt der Plan auf nicht weniger als die Wiedervereinigung der Stadt: Innenstadt und HafenCity, durch diese Schneise der autogerechten Stadt zerschnitten, würden erweitert und aufgewertet. Eine Wunde, in der Nachkriegszeit ins Antlitz des Stadt geschlagen, würde geheilt. Hamburg bekäme ein attraktiveres und moderneres Gesicht.

Aus beiden Vorstößen wird ein gemeinsames Paket: Sie sind eine Kampfansage an die SPD und ein Ausrufezeichen in einer Verkehrsdebatte, die gerade von den Reifen auf die Füße gestellt wird. Dabei signalisieren Grüne und CDU gleichermaßen, dass sie den Mut und den Willen zum großen Wurf haben – und sich weiter einander annähern. Der Wahlkampf ist eröffnet.