… weil ich zehn Stunden nicht online war. Für meine Mutter ist das völlig normal. Wie Best Ager soziale Medien nutzen

„Zuletzt online am Donnerstag um 17.37 Uhr“ – als ich meiner Mutter am Sonnabendmittag (!) eine Nachricht bei WhatsApp schicken will, fällt mir auf, dass sie allen Ernstes seit zwei Tagen nicht mehr online war. Hätte ich vor 48 Stunden das letzte virtuelle Lebenszeichen von mir gesendet, meine Freunde hätten sehr wahrscheinlich bei der Polizei eine Vermisstenanzeige aufgegeben. Sie lachen! So abwegig ist das gar nicht. Vor einiger Zeit habe ich mein Handy einfach mal Handy sein lassen, mir eine Pause von der stressigen Onlinewelt gegönnt, da rief nach zehnstündiger Whats­App-Abstinenz eine gute Freundin an, weil sie sich Sorgen um mich gemacht hatte.

Meiner Mutter jedenfalls ging es prima. Ihr fehlt nur die Geduld, um Texte in ihr Smartphone zu tippen. Auf meine Frage „Weißt du zufällig, warum das Bügeleisen so komische Flecken macht?“ rief sie deshalb prompt an. Gut, zugegeben, die Antwort ist auch etwas zu lang für einen Kurznachrichtendienst ausgefallen. Trotzdem: In meinem Freundeskreis verschickt man erst 48 Text- und 14 Sprachnachrichten, bevor man ernsthaft darüber nachdenkt, jemanden anzurufen. Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?

Was ich dabei wieder einmal festgestellt habe: Die junge Generation und die Best Ager (ich habe lange nach einem coolen Begriff gesucht) kommunizieren bei WhatsApp zwar in derselben Welt – aber doch völlig unterschiedlich. Mein Vater war jahrelang unheimlich stolz darauf, ein Nokia-Handy im Ausmaß einer Telefonzelle in seiner Hosentasche mit sich herumzutragen. Während ein Großteil der Bevölkerung seine Umwelt dank des Smartphones nur noch flüchtig wahrnahm, zückte mein Vater stets sein altes Handy und tat so, als könnte er Fotos damit machen.

Inzwischen ist sein Widerstand lange gebrochen, und er ist der mit Abstand Aktivste in unserer „Family“-Gruppe. Das Interessante: Er schreibt nicht einfach nur Nachrichten, er baut manchmal richtige Bildergeschichten aus Emojis. Wenn es um den HSV geht (und das kommt häufig vor), versieht er seine Texte grundsätzlich mit einem Fußball-Emoji, einem blauen und schwarzen Herzen sowie einem Daumen. Mein Vater hat mir Smileys gezeigt, die ich noch nie zuvor gesehen habe. Dabei sind sie gerade in meiner Generation elementar wichtig – wird keiner mitgeschickt, kann der andere schnell denken, dass man sauer ist. Auch ein falsch interpretierter Smiley hat schon zu großen Missverständnissen geführt. Sehr anstrengend.

Deshalb lassen viele Best Ager (so langsam finde ich Gefallen an dem Wort) die Emojis einfach grundsätzlich weg. Stattdessen wird in kurzen, knackigen Sätzen geantwortet und auf jedes Komma und – ganz wichtig! – den Punkt am Satzende geachtet (bei uns eher uncool). In diese Kategorie fällt auch mein Chef, wie er mir bei einer internen Recherche-Umfrage in der Redaktion verraten hat. Er benutze lediglich zwei Smileys, sagt er. Natürlich die wichtigsten: den tanzenden John Travolta. Und die Sektflasche mit knallendem Korken.

Eine völlig andere Vorstellung haben die Generationen vom Sinn eines Profilbildes. Während wir Millennials bevorzugt Selfies und Fotos an ach so verrückten Reisezielen auswählen und sie nutzen, um uns selbst darzustellen, zeigen Babyboomer wie meine Eltern nur sehr ungern ihre Gesichter. Stattdessen präsentieren sie uns Sonnenuntergänge, sabbernde Hundeschnauzen und verlassene Landstriche. Ganz beliebt sind auch Bilder von Blumen. In allen Varianten und Farben. Und jedes Mal wieder frage ich mich: Wieso? Weshalb? Warum?

Ein weiteres Phänomen: Während junge Leute mit dem Handy vor dem Mund durch die Straßen rennen und zehnminütige Sprachnachrichten aufnehmen, bombardieren sich ältere WhatsApp-Nutzer mit vermeidbar lustigen Videos. Ich behaupte: In jedem Freundeskreis gibt es mindestens eine Person, die den ganzen Tag Clips mit schmutzigen Witzen oder niedlichen Tieren verschickt. Zu 90 Prozent sind die Leute tierisch genervt davon – senden aber trotzdem einen nach oben gestreckten Daumen-Emoji zurück. Oder sie bleiben einfach offline. So ließe sich ein letzter Kontakt vor zwei Tagen, um 17.37 Uhr, natürlich erklären.