Hamburg. Was macht eigentlich einen guten Trainer aus? Wie viele Titel muss er holen? Antwort: Ein guter Trainer braucht keine Titel.
Gestern vor genau vier Jahren war ein besonderer Tag für Dieter Hecking. Der neue HSV-Coach, der am Mittwoch im Volkspark offiziell vorgestellt wurde, erlebte seinen wahrscheinlich größten Triumph als Fußball-Trainer. Im DFB-Pokalfinale gegen Borussia Dortmund gewann Hecking mit dem VfL Wolfsburg nach einem hochklassigen Endspiel seinen ersten und bis heute einzigen großen Titel. Hecking feierte auf seiner Ehrenrunde im Berliner Olympiastadion mit dem Pott und einer Baseballcap, auf der in großen Buchstaben „King“ stand. Sein Gegenüber damals: Jürgen Klopp, einer der aktuell besten und erfolgreichsten Trainer der Fußball-Welt.
Am Sonnabend (21 Uhr) hat dieser Klopp nun die große Chance, mit einem Sieg im Champions-League-Finale gegen Tottenham Hotspur endgültig zum „King“ von Liverpool aufzusteigen. Es wäre die königliche Krönung einer Liebesbeziehung zwischen einem Trainer und einem Club, wie es sie aktuell wohl nur beim FC Liverpool gibt. Seit vier Jahren ist Klopp an der Kop. So wird die berühmte Tribüne der LFC-Fans an der Anfield Road genannt. Vier Jahre lang hat der 51-Jährige den Premier-League-Club in Europa wieder zu einem Erfolgsformat geformt. Es fehlt nur noch der finale Erfolg, und Klopp würde in Liverpool zur lebenden Legende aufsteigen.
Doch was passiert, wenn Klopps Mannschaft am Sonnabend verliert?
Wenn sich Superstar Mohamed Salah wieder verletzt oder Liverpool wie vor einem Jahr durch unglückliche (Karius)-Umstände das Finale aus der Hand gibt? Wenn Dinge passieren, die ein Trainer nicht beeinflussen kann, und am Ende Tottenhams Mauricio Pochettino zum King of London ernannt wird? Dann werden wieder alle reden über den Final-Verlierer Klopp. Der Trainer, der von acht Finalspielen sieben verloren hätte. Kloppo, der Endspiel-Loser.
Es wären Schlagzeilen, mit denen der Trainer aufgrund der Faktenlage leben müsste. Dabei sagt die Titel-Statistik über die Trainerqualität nicht viel aus. Im Gegenteil. Ein guter Trainer braucht keine Titel. Aber was zeichnet einen guten Trainer aus?
Zurück zu Dieter Hecking, der vor vier Jahren eines dieser Endspiele gegen Klopp für sich entscheiden konnte. Für Hecking war es der größte Trainer-Triumph. Er hätte ihn aber gar nicht gebraucht, um von sich behaupten zu können, ein guter Trainer zu sein. Dafür braucht man sich wie bei Klopp nur die Entwicklung der Vereine anzuschauen, bei denen er gearbeitet hat. Hannover 96, 1. FC Nürnberg, VfL Wolfsburg, Borussia Mönchengladbach – all diese Clubs hat Hecking in der Bundesliga trainiert. 485 Spiele hat er mit diesen vier Vereinen geleitet. Alle vier Vereine hat er zu Erfolgen geführt – wenn auch auf einer anderen Ebene als Klopp.
Entscheidend für die Bewertung dieser Erfolge sind keine Titel.
Gute Trainer-Arbeit zeichnet sich nicht in Form von Pokalen aus, sondern im Zustand einer Mannschaft und eines Vereins, die der Trainer hinterlassen hat. Und darin, was er in seiner Amtszeit bewirkt hat.
Nach diesem Maßstab bewertet gibt es im Fußball aktuell neben Pep Guardiola keinen besseren Trainer als Jürgen Klopp. Natürlich hat insbesondere Guardiola zwischen 2009 und 2019 mit Barcelona, Bayern München und Manchester City drei der finanzstärksten Clubs der Welt trainiert und dafür verhältnismäßig selten (zweimal) die Champions League gewonnen. Einer der besten Trainer der Welt ist er aber deshalb, weil er alle drei Clubs auf eine neue Entwicklungsstufe gehoben hat. Genauso wie es Klopp mit Mainz 05, Borussia Dortmund und dem FC Liverpool gemacht hat. Guardiola und Klopp sind die wohl besten Trainer der Welt, weil sie einen Verein mit ihrer Arbeit maßgeblich verändern können.
Ob Dieter Hecking mit seiner Arbeit den HSV verändern kann, bleibt abzuwarten. Sollte der 54-Jährige mit diesem HSV aufsteigen und ihn wieder in der Bundesliga stabilisieren, wäre das in jedem Fall eine mindestens ebenso bemerkenswerte Leistung wie ein Champions-League-Triumph für Klopp mit Liverpool. Dann könnte der Trainer in Hamburg zum Hec-King werden.
Und wenn er es nicht schafft? Dann kann er trotzdem von sich behaupten, ein guter Trainer zu sein.