Ist die Debatte um ein Verbot von Kurzstreckenflügen, die nach einer Äußerung von Frans Timmermans aufkam, sinnvoll?

Vor Wahlen wird von Politikern vieles gesagt, das danach „ganz anders gemeint“ war. Wenn dann noch ein medialer Turbo zündet, kann ein lockeres Gedankenspiel schnell zu einer knallharten Forderung mutieren – obwohl nur jemand vorgetragen hat, was der gesunde Menschenverstand sich selbst längst zusammenreimen konnte.

Konkret geht es um die Europawahlen und das TV-Duell der Spitzenkandidaten Manfred Weber (Konservative) und Frans Timmermans (Sozialdemokraten) im ZDF. Neben vielen anderen Themenkomplexen wurde dort darüber gesprochen, wie sich eine klimaneutrale EU erreichen ließe.

Mit Verboten kommt man beim Wähler nicht gut an

Als es dann um den Luftverkehr ging, stellten die Moderatoren folgende Frage: „Sollen Kurzstreckenflüge abgeschafft werden, zum Beispiel Frankfurt–Stuttgart oder Salzburg–Wien?“ Die Antwort von Timmermans: „Ja. Aber dann muss es eine gute Bahn geben.“ Auch Weber plädierte für einen leistungsfähigeren Schienenverkehr, nahm das Wort „Verbot“ klugerweise aber nicht in den Mund. Denn mit Verboten kommt man beim Wähler in Deutschland nicht sehr gut an, schon gar nicht in der konservativen Klientel.

Schnell machte die Geschichte vom geforderten Verbot die Runde, Strecken bis zu 1500 Kilometern könnten auf der Streichliste landen, orakelte prompt die „Bild“, denn da läge ja laut EU-Fluggastverordnung die offizielle Grenze für Kurzstreckenflüge. So war es aber nicht gefragt worden, und so wird es auch nicht kommen, denn schon der Nachsatz über die „gute Bahn“ schränkt Timmermans Aussage stark ein.

Zwischen Hamburg und Berlin hat die Bahn das Flugzeug verdrängt

Erinnern wir uns mal ein paar Jahre zurück: Als es im wiedervereinigten Deutschland noch Flüge von Hamburg nach Berlin gab, kam niemand auf die Idee, diese – zum Beispiel aus Lärmschutzgründen – einfach zu untersagen. Nein, vielmehr war die Bahn immer schneller geworden, bis auf eineinhalb Stunden konnte die Fahrzeit letztlich reduziert werden, bevor sie danach wieder leicht anstieg. Der Flieger, auf Kurzstrecken in der Regel unbequemer als ein ICE, war von der Schiene schlicht abgehängt worden, so dass die Lufthansa eines Tages erklärte, dass sie „liebend gerne“ auf weitere Flüge verzichte.

Was lernen wir daraus? Ist die Konkurrenz am Boden stark und schnell genug, sorgt der Wettbewerb wahrscheinlich von selbst für eine gewisse Bereinigung. Dabei spielen natürlich, neben dem Faktor Zeit, auch die Kosten pro Ticket eine Rolle. Dass Kerosin im Gegensatz zu Benzin, Diesel oder Strom für die Eisenbahn bislang nicht besteuert wird, macht Fliegen billiger – und sollte aus Klimaschutzgründen nicht so bleiben. Was selbst viele Konservative so sehen, Manfred Weber inklusive. Ganz einfach ist das Vorhaben dennoch nicht. Verhindern muss die Politik nämlich, dass Airlines aus Steueroasen mit vollen Tanks den Wettbewerb verzerren.

Bahnfahren in Europa – nicht immer eine gute Wahl

Noch ein Wort zum Bahnfahren in Europa: Wer von Paris ins rund 580 Kilometer entfernte Bordeaux möchte, braucht mit dem Zug etwas mehr als zwei Stunden, von Madrid nach Barcelona (620 km) sind es gut zweieinhalb Stunden. Da ist das Flugzeug schon heute keine sinnvolle Wahl mehr. Anders sieht es aus bei Strecken wie Hamburg–London (rund zehn Stunden) oder Hamburg–Nizza (rund 17 Stunden). Die junge Klimaaktivistin Greta Thunberg aus Schweden hat pro Richtung sogar mehr als 30 Stunden gebraucht, als sie im Januar mit dem Zug zum Weltwirtschaftsforum im Schweizer Davos gefahren ist. Das würden ihr nur wenige nachmachen.

Deshalb bleibt bei der Debatte um Flugverbote die Erkenntnis: Es gibt keinen Grund, gleich in die Luft zu gehen. Ein Gesetz, das Mindestkilometer vorschreibt, wird so schnell nicht kommen.