Zum Aufstieg verdammt: HSV-Trainer Wolf hat Fehler gemacht – aber hat eine Chance verdient, aus ihnen zu lernen. Es gibt Vorbilder.

Hannes Wolf ist ein mutiger Mensch. Am Sonntagabend wird der HSV-Trainer erstmals zu Gast sein im NDR-„Sportclub“. Der 38-Jährige hätte sich keinen schwierigeren Zeitpunkt für seine Premiere aussuchen können. Es wird der Tag sein nach dem Heimspiel gegen den FC Ingolstadt. Gewinnt der HSV dieses Spiel nicht, wäre das große Ziel des Wiederaufstiegs möglicherweise schon verfehlt. Und Wolf müsste sich auf einen unangenehmen Abend einstellen.

Dass der HSV die Einladung des NDR angenommen und nicht versucht hat, Wolfs Auftritt zu verhindern, zeigt vor allem eines: Der Vorstand meint es sehr ernst mit dem Treuebekenntnis für seinen Trainer. Und das ist genau der richtige Weg. Weil es ein mutiger Weg ist und der HSV endlich einmal bereit ist, mit einem Trainer eine Krise durchzustehen.

HSV kann sich Trainerwechsel gar nicht leisten

Zur Wahrheit gehört natürlich auch, dass es sich der HSV wirtschaftlich gar nicht leisten kann, noch einmal den Trainer zu wechseln und in die Situation zu geraten, fünf Fußballlehrer gleichzeitig bezahlen zu müssen. Zudem haben sich die Vorstände um Ralf Becker und Bernd Hoffmann mit ihren Aussagen viel zu weit aus dem Fenster gelehnt und wären bei einer gegenteiligen Handlungsweise selbst arg beschädigt.

Im Kern geht es aber um etwas anderes. Der Vorstand des HSV hat sich für einen Weg entschieden: keine Unsummen mehr für vermeintliche Stars ausgeben, stattdessen mit jungen Spielern ein neues Fundament beim HSV entwickeln. Ein Weg, für den die Mitglieder schon 2014 im Zuge der Ausgliederung gestimmt haben, der aber nie umgesetzt wurde, weil sich der Club fremdbestimmen ließ.

Das Restprogramm der Aufstiegskandidaten

1. FC Köln (1., 80:41 Tore, 62 Punkte)

SSV Jahn Regensburg (H)1. FC Magdeburg (A)

SC Paderborn 07 (2., 71:46 Tore, 54 Punkte)

Hamburger SV (H)SG Dynamo Dresden (A)

1. FC Union Berlin (3., 49:31 Tore, 53 Punkte)

1. FC Magdeburg (H)VfL Bochum (A)

Hamburger SV (4., 41:38 Tore, 53 Punkte)

SC Paderborn (A)MSV Duisburg (H)

1. FC Heidenheim (5., 47:40 Tore, 49 Punkte)

MSV Duisburg (A)FC Ingolstadt (H)

FC St. Pauli (6., 45:51 Tore, 48 Punkte)

VfL Bochum (H)SpVgg Greuther Fürth (A)

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Mit Hannes Wolf hat der HSV einen Trainer gefunden, der für diesen Weg steht. Einen Trainer, der gerne mit jungen Spielern arbeitet. Einen jungen Trainer, dem man auch zugestehen muss, Fehler zu machen. Wolf hat diese Fehler gemacht und sollte die Chance haben, aus ihnen zu lernen und sich mit dem HSV zu entwickeln.

Trainerfrage: Was für einen Vorstand wichtig ist

In der Szene genießt Hannes Wolf einen sehr guten Ruf, wenn es um die Entwicklung junger Spieler geht. Neuzugänge wie David Kinsombi oder Jeremy Dudziak (beide 23) haben dem HSV auch deswegen zugesagt, weil sie mit Wolf zusammenarbeiten wollen. Das Wichtigste in der Zusammenarbeit zwischen einem Verein und einem Trainer ist die Frage, ob der Vorstand von ihm grundsätzlich überzeugt ist. Verliert er die Überzeugung, muss er handeln. Vertraut man einem Trainer, lohnt es sich, eine Krise zu durchstehen.

So wie die Bayern es mit Niko Kovac vorgemacht haben. Es gibt Momente, in denen ein Team neue Impulse braucht. Neue Impulse können aber auch anders erzeugt werden als durch den abgenutzten Effekt des Trainerwechsels. Das sollte man in Hamburg mittlerweile eigentlich wissen.

Die aktuelle HSV-Stimmung in den (a)sozialen Netzwerken mit ihren Kommentaren gegen Wolf erinnert ein wenig an die Zeit im September 2016, als Bruno Labbadia mächtig Gegenwind bekam, weil er den vermeintlichen Heilsbringer Alen Halilovic nicht einsetzte. Labbadia aber blieb bei seiner Überzeugung – und wurde wenig später entlassen. Im Nachhinein hatte Labbadia recht. Und der HSV verlor seinen wohl besten Trainer der vergangenen zehn Jahre, weil der Vorstand ihm nicht vertraute.

Eines ist bei Hannes Wolf sicher

Hannes Wolf dagegen hat das Vertrauen seiner Vorgesetzten bekommen. Natürlich hat die Treue auch ihre Grenzen. Die muss sie auch haben, schließlich geht es auch bei Trainern in erster Linie um das Leistungsprinzip. Ein Trainer muss immer wieder aufs Neue beweisen, dass er mit seinen Maßnahmen in einer Mannschaft etwas bewirken kann. Sollte sich der HSV gegen Ingolstadt in einer ähnlichen Verfassung präsentieren wie in der zweiten Halbzeit bei Union Berlin, wird auch Wolf wieder Kritik einstecken müssen. Das ist normal und gehört im Fußballgeschäft dazu.

Umso mutiger ist es, dass sich Wolf auf ein Fernsehinterview im NDR einlässt, ohne zu wissen, wie sich die Stimmung rund um den HSV am Sonnabendnachmittag um etwa 15 Uhr anfühlen wird. Eines scheint zumindest sicher: Selbstbewusst ist er, der Wolf.