Hilferuf aus der Handelskammer : Führung bringt Beschäftigte gegen sich auf
Es ist eine verkehrte Welt, die sich derzeit am Adolphsplatz besichtigen lässt – und die Mitarbeiter der Handelskammer am eigenen Leib erleiden. Früher hielt man, auch wenn die Kategorien umstritten sein mögen, Ordoliberale, Konservative oder Kapitalisten nicht unbedingt für die beliebtesten Arbeitgeber – während Sozialdemokraten oder Grüne als echte Freunde der Arbeitnehmerrechte galten. Oder: Während man Linken stets vorwarf, recht freigiebig mit dem Geld anderer Leute zu arbeiten, sagte man Konservativen eine Scheu nach, Mitgliedsbeiträge in ein Beschäftigungswunder zu investieren.
In der Handelskammer sind diese alten Zuordnungen längst zur Illusion zerstoben: Die alte, „konservative“ Kammerführung genoss einen hanseatischen Ruf, handelte sozial verträglich und war den Mitarbeitern zugewandt. Die neue Führung der Kammerrebellen aber benimmt sich eher wie eine Heuschrecke: Vielen Wahlsiegern von 2017, die eine auffallende Nähe zur SPD und zu den Grünen haben, geht es offenbar vor allem um dreierlei: Sanierung, Kostensenkung, Personalabbau.
Nun hat sich der Personalrat der Kammer in einer Art und Weise zu Wort gemeldet, die aufhorchen lassen muss. In ihrer Stellungnahme weisen die Vertreter der Beschäftigten darauf hin, dass „bereits heute rechtskonformes Arbeiten aufgrund von Personalmangel an mehreren Stellen nicht mehr möglich“ sei. Die Umsetzung des Plans, der eine weitere Streichung von Personalstellen vorsieht, werde diese Situation „noch wesentlich“ verschärfen.
Die Zeilen sind kein bloßer Zwischenruf zur Lage der Kammer, sondern ein Hilferuf an die zuständigen Behörden sowie Bürgermeister Tschentscher. Sie warnen vor der Restrukturierung und ihren Folgen. Natürlich ist der Personalrat eine Partei in der Auseinandersetzung, und doch offenbart die Erklärung, wie sehr die Beschäftigten das Vertrauen in die Hauptgeschäftsführerin und viele Mitglieder des Plenums verloren haben.
Hier wird es ernst. Denn die Kammer ist eben nicht, wie einstmals interessierte Gruppen suggeriert haben, eine mächtige Interessenlobby im Kampf gegen den Rückkauf der Energienetze, für Olympische Spiele oder den Transrapid, sondern eben auch ein entscheidender Spieler bei der Ausbildung, bei der Bestellung von Sachverständigen oder dem Ausstellen von Zeugnissen. Auch bei der Beratung von Existenzgründern hat die Kammer Enormes geleistet.
All diese Erfolge stehen seit dem Zerwürfnis der Kammerrebellen auf dem Spiel. Sie waren einst angetreten, alles anders und besser zu machen; sie haben nur vieles schlechter gemacht. Viele mag einst der Ärger und Idealismus getrieben haben, heute aber überwiegen Wut und Ideologie.
Seit dem Sieg der Rebellen haben kompetente und prägende Köpfe die Kammer verlassen; viele der Gebliebenen sind desillusioniert, frustriert, paralysiert. Als Ansprechpartner der Wirtschaft ist die Kammer ausgefallen – man hört ihr nicht mehr zu, man schüttelt nur noch den Kopf über sie.
So kann, so darf es nicht weitergehen. Hätte man die Kammer über Jahre lahmlegen wollen, wenn nicht nachhaltig beschädigen, man hätte nicht anders agieren müssen, als es die Rebellengruppen zuletzt getan haben.
Egal ob es böser Wille oder Unvermögen ist, die Kammer ist zu wichtig, als sie diesem Chaos zu überlassen. Der Politik obliegt die Rechtsaufsicht über die Kammer, gewählt wird erst Anfang 2020. In der freien Wirtschaft hätte ein Aufsichtsrat längst gehandelt.