Hamburg. Stefan Heße erschüttert mit seiner Politik und mit seiner Dialogschwäche das Bistum und sorgt für großen Vertrauensverlust.

Es ist fünf Jahre her, da empörte ein Bischof die stets zur Empörung neigende deutsche Öffentlichkeit: Der Limburger Oberhirte Franz-Peter Tebartz-van Elst war in die Kritik geraten, weil die Baukosten für das Diözesane Zen­trum von gut zehn auf mehr als 31 Millionen Euro gestiegen waren. Im Heimatland von BER und Elbphilharmonie kann man mit Verschwendung schnell Schlagzeilen schreiben, in die viele dann noch Vorurteile und Vorbehalte gegen den Katholizismus hineinrühren. Heute hat das Bistum Limburg einen von Architekturkritikern hochgelobten Bau – und Tebartz-van Elst eine neue Aufgabe als Apostolischer Delegat.

Jetzt schreibt wieder ein Bischof bundesweit Schlagzeilen – wenn auch unter umgekehrten Vorzeichen: Der Hamburger Stefan Heße verwechselt sein Seelsorgeramt mit dem des Sanierers. Er möchte sein Erzbistum vor der Überschuldung retten – das ist aller Ehren wert: aber um welchen Preis? Auch um den Preis der Erschütterung des Glaubens? Verfolgt man die derzeitige Debatte, scheint das nicht zu hoch gegriffen zu sein. Der Mut vieler Katholiken, bei der Rettung der Schulen zu helfen, schlägt in Wut um: Aufrufe zum Austritt machen die Runde, selbst engagierte Christen erwägen diesen radikalen Schritt. In vielen Gemeinden herrscht Untergangsstimmung. Eine Kirche, die nur noch von Zahlen regiert wird, verliert jede Spiritualität. Wo Angst regiert, geht Hoffnung verloren. Wo Trübsal ist, verflüchtigt sich die frohe Botschaft. Viele Wohlmeinende verstehen ihre Kirche nicht mehr. Und Würdenträger schweigen nur noch aus Loyalität zur Institution.

Der Erzbischof tauchte ab, als er gebraucht wurde

Es ist ein Desaster, das nicht ins 21. Jahrhundert passen mag. Transparenz? Dialogfähigkeit? Demokratie? All das sind im Bistum Fremdworte. Einzelne treffen einsame Entscheidungen, die sie weder erklären können noch erklären wollen. Die Schulschließungen erfolgten über Nacht, die Verhandlungen mit der Schulgenossenschaft wurden nie ernsthaft geführt. Und der Erzbischof tauchte ab, als er gebraucht wurde. Sein geäußertes „Bedauern“ klingt scheinheilig, fehlte er doch bei den meisten Verhandlungen mit der Schulgenossenschaft.

In der Bistumsleitung verschanzt man sich wie in einer Wagenburg. Man wollte das Richtige tun – und hat fast alles falsch gemacht. Schon die Berater von Ernst & Young ins Haus zu holen lässt manche zürnen wie Jesus, als dieser die Händler aus dem Tempel jagte. Wenn nur noch die zweifelhaften Zahlen junger Unternehmensberater zählen, wird der Glaube erschüttert. Viele Daten blieben unter Verschluss, Zusagen wurden gebrochen. Und dann – der wohl schlimmste Fehler – hat man die helfenden Hände weggeschlagen. Die Schulgenossenschaft gewann binnen Wochen hochrangige Unterstützer aus allen Parteien, aus der Wirtschaft, aus der Gesellschaft. Damit hätte man, bei aller Kritik an der Genossenschaft, eine Lösung erreichen können. Wenn man gewollt hätte. Stattdessen ist in Hamburg ein Novum zu bestaunen: Lieber schließt man Schulen, als sich retten zu lassen. Ist diese Kirche noch zu retten?

Der Vertrauensverlust ist dramatisch. Die Konsequenzen werden noch dramatischer sein. „Austreten?“, fragen sich viele in diesen Tagen. Aber an der Basis, in den Kitas, Schulen und Gemeinden, in Krankenhäusern und Heimen leisten viele Katholiken überzeugende Arbeit. Eine Austrittswelle hat diese Kirche von unten nicht verdient. Aber Rom sollte bald entscheiden, ob die Gläubigen im Norden eine solche Bistumsleitung verdient haben. Vielleicht wird ja noch ein Apostolischer Delegat benötigt.