HSV-„Endspiel“, Hafengeburtstag, ESC auf St. Pauli – Großeinsatz für die Hamburger Polizei.

Mit ein wenig Glück halten Sie diese Ausgabe des Abendblatts an einem freien Wochenende in den Händen. Mit etwas mehr Glück sogar an einem herrlich langen freien Wochenende. Sie haben Zeit – für sich, Ihre Familie oder Freunde. Zeit, einem Hobby nachzugehen, ungestört zu lesen oder einfach nur zu entspannen. Zeit, die den meisten Hamburger Polizisten fehlen wird.

Der Hafen feiert Geburtstag, der HSV spielt sein „Finale“, und der ESC tanzt auf dem Spielbudenplatz. Damit Hunderttausende den Besuch am Hafenrand, Zehntausende das Fußballspiel und die Schlagerparty genießen können, müssen Tausende Polizisten arbeiten. Nichts mit freiem Wochenende. Das erscheint so normal.

Polizei und Helfer: Die Belastung ist höher, als sie sein sollte

Es gibt diese Dinge, die als selbstverständlich wahrgenommen werden. Dass die Polizei innerhalb weniger Minuten am Tatort ist; dass der Notarzt kurz nach der Alarmierung Hilfe leistet; dass die Feuerwehr am Feiertag unterwegs ist, um überflutete Straßen passierbar zu machen wie zuletzt am Donnerstag – alles ganz normal? Zum Thema werden diese Einsätze nur, wenn etwas nicht funktioniert. Wenn trotz hoher Polizeipräsenz Ultras am Stadion auf sich eindreschen, wenn friedliche Besucher am Hafenrand verprügelt oder beraubt werden. Oder wenn Fehleinschätzungen der Einsatzleitung zu falschen Entscheidungen führen. Wenn’s aber rundläuft, genießen Hunderttausende unbeschwerte Tage, weil ein paar Tausend Andere für sie arbeiten. Bei Polizei und Feuerwehr, als Ärzte und Krankenpfleger, Bus- und Bahnfahrer.

Mehr als eine Million Überstunden hat allein die Polizei angehäuft. Das sind grob gerechnet 125.000 Arbeitstage, die die Polizistinnen und Polizisten im Einsatz mehr gearbeitet haben, als sie sollten. Die Zahlen belegen: Die Belastung ist höher, als sie sein sollte. Und doch gibt es keine Alternative.

Die (abstrakte) Bedrohungslage, die beispielsweise von Terroristen in gestohlenen Lastern ausgeht oder von anderen Wirrköpfen, die wahllos mit einem Messer aus dem Supermarkt auf Unschuldige einstechen, ist auch in Hamburg unverändert hoch. Volksfeste mit Hunderttausenden Besuchern müssen deutlich personalintensiver gesichert werden als noch vor einigen Jahren. Zusätzlich zur Bereitschaftspolizei sind jetzt deshalb auch wieder die „Alarmhundertschaften“ in Zwölfstundenschichten am Start, Polizisten, die von ihren Wachen abgezogen werden – und dann dort fehlen. Aber anders sind Sicherheitsbedürfnis und Mehraufwand nicht zu bewältigen.

Das Dilemma: Eine Lösung ist nicht in Sicht. Die Polizei bildet schon jetzt mehr aus, als sie eigentlich kann. „Fertige“ Bewerber von außerhalb gibt es so gut wie keine. Die Ressourcen sind ausgeschöpft. Das alles wissen auch Polizeigewerkschaften und parlamentarische Opposition, so erklärt sich auch deren nur verhaltene Kritik.

Was also tun? Den Schutz von Großveranstaltungen zurückfahren? Das kann niemand ernsthaft fordern. Die Aufgabenkritik bei der Polizei noch intensiver zu betreiben und gewohnte Abläufe infrage stellen – schon eher. Können wir uns noch ein Polizeiorchester leisten? Oder den Verkehrskasper und seine Truppe? Müssen wir uns darauf einstellen, dass es bei Unfällen mit Blechschäden grundsätzlich ohne die Polizei gehen muss? Dass Betrugsdelikte unter einem bestimmten Wert gleich zu den Akten gelegt werden? Antworten darauf müssen Polizei und Politik liefern. Aber wir können auch was tun: zumindest mal Danke sagen.