In Hammerbrook entsteht ein Zukunftslabor – eine wichtige Weichenstellung

Hamburg hält sich gern für eine großartige Weltmetropole, ist in Wahrheit oft aber eher etwas kleinkariert. Die eigene Selbstüberschätzung geht einher mit einem Mangel an Weltläufigkeit, man nimmt aus Hochmut gar nicht wahr, was in anderen Städten und Ländern passiert. Rund um den Globus verändert sich unsere Wirtschaft radikal, Wertschöpfungsketten werden gesprengt, ganze Geschäftsmodelle kippen. Entweder man ist Treiber dieser Entwicklung – oder bald Getriebener.

Neidisch blickt die Welt allerorten auf das Silicon Valley: Dort wird Zukunft gemacht. Aber die Hightech-Region in der San Francisco Bay ist nicht die einzige Region, in die es Gründer und Entwickler zieht: Auch New York, Boston, Los Angeles, Peking, Seoul, Tel Aviv, London und Stockholm zählen zu pulsierenden Start-up-Ökosystemen. Eine einzige deutsche Stadt schafft es in diese Top Ten des Risikokapitalgeber Sparklabs: Es ist Berlin. Als kürzlich die Berater von Ernst & Young ein europäisches Städteranking veröffentlichten, lag London vorn. Die Start-ups der britischen Hauptstadt sammelten im vergangenen Jahr 4,9 Milliarden Euro an Investitionen. Auf Rang zwei folgt Berlin mit drei Milliarden. München schafft knapp den Sprung in die Top Ten, Hamburg ist nicht vertreten.

Das also ist die Ausgangslage – Hamburg hat Luft nach oben. Jetzt greift mancher nach den Sternen: Das Projekt Hammerbrooklyn, das jetzt Gestalt annimmt, kann Hamburg nach vorne katapultieren. Denn es bringt viele Ideen zusammen, die ein funktionierendes digitales Ökosystem erfordert: Es vernetzt Menschen und Unternehmen, Ideen und Kapital, Wissenschaft und Wirtschaft. Es hat starke Unternehmen als Partner und ist zugleich privat finanziert, was meist eine höhere Effizienz verspricht als öffent­liche Subventionsveranstaltungen. Und, besonders wichtig, es ist cool: Die digitale Bohème will eben nicht in Osnabrück, Salzgitter oder Kassel arbeiten, sondern dort, wo es Spaß macht. Wenn Arbeit und Freizeit immer weiter verschwimmen, muss die Arbeit zumindest nach Freizeit schmecken. Wo funktioniert das besser als in Hammerbrook, einem Stadtteil im Aufbruch? Und wo besser als mit Elbblick? Dass Hamburg das Zeug zur Nummer eins hat, hat die Werbebranche in den 90er-Jahren bewiesen. Warum sollte das nicht noch einmal möglich sein?

Der langjährige Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hat 2017 in seiner Grundsatzrede zur Wissenschaftspolitik Städte als „Laboratorien der Moderne“ bezeichnet. Hier konzentrierten sich die ökonomischen, ökologischen und sozialen Herausforderungen, hier würden die Lösungen für die großen Herausforderungen der Zeit entwickelt. Deshalb soll Hamburg endlich Wissenschaftsmetropole werden. Zu lange ist in der Hansestadt zu wenig passiert, erfreute man sich am schönen Erfolg von gestern und verschlief die Chancen von morgen.

Jetzt bewegt sich etwas. Dafür steht auch und gerade Hammerbrooklyn. Gehen die ehrgeizigen Pläne der Macher auf, bekommt die Stadt mit Hammerbrooklyn ein Zukunftslabor, das weit über die Grenzen der Metropole strahlen kann. Zugleich ist ein solches 150 Millionen Euro schweres Vorhaben ein Statement, dass die Stadt mehr will, als sie derzeit ist. Und dass sie mehr kann, als ihr viele zutrauen. Gerade in einer Zeit, in der das Neobiedermeier nicht nur in der Stadt, sondern auch der Politik um sich greift, ist das eine Botschaft von nicht zu unterschätzender Strahlkraft.