Bruchhagen und Todt zu beurlauben war richtig. Doch nun fängt die Arbeit für den HSV-Aufsichtsratschef erst an.
Hamburg. Um 9.48 Uhr platzte die HSV-Bombe: Einladung zum Pressegespräch. Um 11 Uhr. Mit Bernd Hoffmann und Frank Wettstein. Viel mehr stand in der kurzen Nachricht nicht, außer, dass Livebilder nicht gestattet seien. Aber es dauerte nur zwei Minuten, ehe die wirklichen HSV-Nachrichten des Tages im Dreierpack bekannt wurden. Erstens: Der Aufsichtsrat stellt HSV-Vorstand Heribert Bruchhagen frei. Zweitens: Auch Sportchef Jens Todt muss gehen. Und drittens: Neu-Präsident Bernd Hoffmann ist ab sofort auch neuer Aufsichtsratschef. Rums. Rums. Und rums.
Was bei vielen HSV-Beobachtern Schnappatmung und Bluthochdruck auslöste, war in Wahrheit vorhersehbar, überfällig und selbstverständlich auch richtig. Um es klar zu sagen: Heribert Bruchhagen und Jens Todt haben immer alles für den HSV gegeben, aber alles war eben nicht genug. Somit war schon lange nicht mehr die Frage, ob die beiden über den Niedergang des HSV stolpern. Sondern wann.
Die Antwort gab Hoffmann am Donnerstag: Der Zeitpunkt für die HSV-Stunde null sei jetzt. Dies sei das Resultat der Gespräche im Aufsichtsrat, erklärte der von Kameras umringte Hoffmann eine gute Stunde später im Volksparkstadion. Die Zeit für eine Neuausrichtung des HSV sei gekommen.
Hoffmann steht jetzt in Verantwortung
Was der in der Nacht zuvor flugs zum Kontrollchef beförderte HSV-Präsident nicht sagte: Hoffmann selbst ist es, der diese Neuausrichtung des HSV nun in die Hand nimmt – und damit auch für das Gelingen des erhofften Neustarts die Verantwortung trägt. Als Präsident des e. V. und Aufsichtsratschef in Personalunion ist Hoffmann nun genau der starke Mann des HSV, den sich 51 Prozent der Teilnehmer an der Mitgliederversammlung vor knapp drei Wochen ersehnt haben. Und den 49 Prozent der seinerzeit anwesenden Mitglieder gefürchtet haben.
Die 585 Mitglieder, die Hoffmann am 18. Februar in der Kuppel gewählt haben, hoffen nun beim geplanten Wiederaufbau des HSV in der Zweiten Liga auf ein ähnlich glückliches Händchen Hoffmanns wie in seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender. Und die 574 Mitglieder, die Hoffmann nicht gewählt haben, fürchten jetzt, dass der mächtige Comebacker die gleichen Fehler wie damals machen könnte.
Den größten Fehler seiner achtjährigen Amtszeit hat Bernd Hoffmann vor exakt einem Monat im großen Abendblatt-Interview selbst benannt: Er hätte viel stärker darauf dringen müssen, nach dem Ausscheiden Dietmar Beiersdorfers 2009 einen neuen Sportvorstand zu installieren, räumte der 55-Jährige selbstkritisch ein. Das Fehlen eines Managers und Hoffmanns Selbstüberschätzung, den Job vorübergehend einfach selbst machen zu können, sorgten seinerzeit für den Anfang vom Ende.
Fast ein Jahrzehnt später muss man Hoffmann insofern in Schutz nehmen, als dass die Suche nach einem neuen Sportvorstand schon damals Aufsichtsratssache war und ihm – zumindest in der Theorie – als Vorstandsvorsitzender die Hände gebunden waren. Jetzt aber sind Hoffmanns Hände frei, auch ganz praktisch. Als Aufsichtsratsvorsitzender trägt in erster Linie er die Verantwortung, wie zeitnah der HSV einen neuen Sportvorstand findet.
HSV braucht eine schnelle Lösung
Qualität schlage Schnelligkeit, sagte Hoffmann und drückte damit schon mal kräftig auf die Bremse. Doch was generell nicht falsch sein mag, ist in der aktuellen HSV-Situation auch nicht richtig. Denn selbstverständlich kann es sich der Club gerade in dieser Situation nicht noch einmal erlauben, zu lange Mister X zu suchen.
HSV-Manager und Sportdirektoren seit 2000
Dieser muss immerhin die Weichen für einen direkten Wiederaufstieg stellen, mit Beratern verhandeln, einen vermutlich komplett neuen Kader zusammenstellen und ganz nebenbei spätestens auch noch im Sommer einen neuen Trainer suchen. Hoffmann muss also schnell beweisen, dass er aus seinem Kardinalfehler von damals gelernt hat, und liefern.
Wird Hoffmann neuer Vorstandschef
Die Suche nach einem neuen Sportvorstand ist Hoffmanns Aufgabe und Priorität Nummer eins. Aufgabe Nummer zwei wird im Anschluss sein, sich um einen Nachfolger für Bruchhagen zu kümmern. Dabei könnte zumindest die Suche nach einem neuen Vorstandschef schneller beendet werden als gedacht. Bernd Hoffmanns naheliegendste Lösung heißt: Bernd Hoffmann.
Nach dem enttäuschenden Heimspiel gegen Mainz 05 muss der Macher zu dem Schluss gekommen sein, dass es so nun wirklich nicht weitergehen kann. Doch sollte Hoffmanns Lösung tatsächlich Hoffmann heißen, dann müsste dieser – vermutlich in der Zweiten Liga – beweisen, dass er mehr als nur entlassen kann.
Dabei ist es Ironie des Schicksals, dass seine Zeit als Vorstandsvorsitzender fast auf den Tag vor sieben Jahren durch eine dürftige Pressemitteilung beendet wurde. Nach einem enttäuschenden Heimspiel gegen – natürlich – Mainz 05. Und vor einem enttäuschenden Auswärtsspiel. Gegen – Trommelwirbel – Bayern München.