Olaf Scholz war ein starker Bürgermeister. Das neue Amt als Bundesfinanzminister wird nicht leichter.

Es ist nur eine kleine Geschichte, aber sie zeigt, wie schwer dieses Bündnis werden könnte, das Union und SPD nach langen Debatten am Mittwochvormittag besiegelt haben. Noch am Tag zuvor zeigten sich viele Sozialdemokraten zuversichtlich, dass ihr Fahrplan für den Mitgliederentscheid funktioniert: Die Ressortverteilung sollte bekannt gegeben werden, die konkreten Namen aber bis Anfang März geheim bleiben. Die Vertraulichkeit, die noch 2009 gewahrt werden konnte, hielt 2018 nicht mehrere Wochen, sondern gerade einmal genau eine Stunde.

Das hat ja schon mal richtig gut geklappt. Um elf Minuten vor 10 war der gordische Knoten zerschlagen und die Agenturen vermeldeten einen Durchbruch bei den Koalitionsverhandlungen; um elf Minuten vor 11 tickerte DPA unter Berufung auf informierte Kreise: „Scholz soll als Finanzminister nach Berlin wechseln“.

SPD: In Verhandlungen ein viel besseres Ergebnis als bei der Wahl

Auch wenn die SPD auf „Spekulationen“ verweist und ohnehin den Mitgliedern das letzte Wort erteilt hat – dagegen wetten sollte man nicht. Dazu kamen die Informationen nicht tröpfchenweise, sondern im Schwall. Und die sozialdemokratische Basis dürfte anders ticken als die Jusos vom Schlage eines „Tritt ein, sag Nein“. Sozialdemokraten waren immer Reformer, selten Revolutionäre. Sie sind im besten Sinne des Wortes „staatstragend“.

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Olaf Scholz geht nach Berlin: Das sagen die Hamburger

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    Die SPD hat in der Verhandlungen ein viel besseres Ergebnis erreicht als am 24. September: Damals waren es mickrige 20,5 Prozent der Stimmen. Nun ist es ein Kantersieg: Schon sechs Ministerien sind angesichts des damaligen Desasters ein Erfolg – nun gewinnt die SPD neben dem Außen- und Arbeitsressort auch das Königsressort, das Finanzministerium.

    Die CDU mag die Wahl im September gewonnen haben, ihr Ergebnis grenzt an Selbstaufgabe: Sie verliert nicht nur das Finanzressort an die SPD, sondern auch das vergrößerte Innenministerium an die CSU. Potenzielle Hoffnungsträger müssen sich mit Trostpreisen Verteidigung und Wirtschaft begnügen. Die CDU reduziert sich endgültig zum Kanzlerwahlverein und forciert ihre Selbstverzwergung. Welcher Sozialdemokrat kann da im Mitgliederentscheid schon Nein sagen?

    Trotz G20 und Olympia-Nein gute Jahre

    Vielleicht ist das die Gemengelage, die Scholz bewegt hat, seinem Versprechen untreu zu werden – und ins Risiko zu gehen. Stets hatte er erklärt, er werde 2020 erneut als Bürgermeister antreten. Nun sitzt er auf gepackten Koffern. Sagt die SPD Nein, wäre er als Bürgermeister beschädigt. Sagt sie Ja, wird zu konstatieren sein: Für Hamburg ist Scholz’ Wechsel ein Verlust. Die sieben Jahre als Bürgermeister für die Hansestadt waren trotz G-20 und Olympia-Desaster gute Jahre. Er hat mit beachtlicher Führungsstärke die verunsicherte Hamburger SPD in eine schlagkräftige Regierungspartei verwandelt.

    Und er hat persönlich Zukunftsthemen besetzt. Binnen kurzer Zeit hat sich der Jurist zum Stadtentwicklungsexperten, dann zum Integrationsexperten entwickelt – zuletzt hatte er die Wissenschaft für sich besetzt. Kompetenz gepaart mit Führungsstärke ist in der Politik nicht alltäglich. Die Schuhe, die er seinem Nachfolger hinterlässt, sind groß. Der Favorit Andreas Dressel hat in den vergangenen Jahren bewiesen, dass er ein kluger Moderator ist. Seine Visionen für eine Metropole aber sind noch unscharf.

    Finanzen: Politikwechsel mit Scholz?

    Unklar ist auch, wohin Olaf Scholz als Finanzminister die Republik steuern würde. An seiner Kompetenz zweifelt kaum jemand, beackert er dieses Feld doch seit Jahren. Aber die SPD plant für das Ressort einen radikalen Politikwechsel. In den Zeiten eines Wolfgang Schäuble (CDU) war das Amt an der Wilhelmstraße ein Nebenkanzleramt: Es prägte die Europapolitik und forderte in den kriselnden Euroländern Reformen und Einsparungen. Forsch erklärte der designierte SPD-Außenminister Martin Schulz nun schon einmal das „Ende des Spardiktats“ und versprach mehr Investitionen in Europa.

    Schulz möchte eifrig deutsche Steuermilliarden weiterreichen. So sinnvoll eine Europa-Offensive mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron auch ist, zu viel Freigiebigkeit kann nicht im Interesse eines deutschen Finanzministers liegen. Die ohnehin nicht leichte Beziehung zwischen Schulz und Scholz wird in einem gemeinsamen Kabinett nicht einfacher werden – nicht ausgeschlossen, dass sie mit einem Knall endet wie einst zwischen Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine.

    Eine Politik der Haushaltssanierung, die Olaf Scholz einst in Hamburg mit dem Slogan „Pay as you go“ – Mehrausgaben nur bei gleichzeitigen Einsparungen – begründet hatte, wird in dieser Großen Koalition schwierig. Schulz möchte Europa retten, die CSU ihr Ergebnis bei der Bayern-Wahl im Herbst und die CDU Merkels Kanzlerschaft. Schon jetzt zeigen die Kompromisse, dass Union und Sozialdemokraten inhaltliche Gräben mit Geld zugeschüttet haben. Diese Große Koalition wird teuer – und für einen Finanzminister sicher nicht vergnügungssteuerpflichtig.