Hamburg/Berlin. Hamburgs Bürgermeister könnte die Schlüsselfigur der SPD werden, wenn es zu einer Großen Koalition kommt – und Schulz zurücksteckt.

Zumindest für einige Bundesbürger ist die Sache klar: Eine knappe Mehrheit der Deutschen ist laut einer Umfrage gegen einen Einzug von SPD-Chef Martin Schulz als Minister in das Kabinett der geplanten Großen Koalition. 54 Prozent seien gegen ein Ministeramt für Schulz, ermittelte das Forsa-Institut. Besonders in seiner Partei wird diese Frage besorgt diskutiert - denn Schulz’ Macht erodiert, und einige Genossen würden am liebsten seinen Rückzug sehen. In einigen Umfragen liegt die Partei nur noch bei 17 Prozent.

Es geht dabei auch um seine Glaubwürdigkeit. Schulz schloss nicht nur den Gang in eine große Koalition aus, sondern betonte nach der Bundestagswahl: „In eine Regierung von Angela Merkel werde ich nicht eintreten.“ Trotz über 80 Prozent bei seiner Wiederwahl zum Parteichef im Dezember, ist er inzwischen schwer angeschlagen – bedenklich viele aus der Führungsriege zweifeln inzwischen an ihm.

Als Parteichef hat Schulz das erste Zugriffsrecht

Mehrere Szenarien werden im politischen Berlin durchgespielt. Sollte Martin Schulz dem Drängen einflussreicher Parteifreunde folgen, dürfte die Stunde von Bürgermeister Olaf Scholz schlagen. Allerdings ist die Entscheidung über Personalien nach Angaben der Sozialdemokraten noch nicht gefallen. „Die Personalfragen kommen einfach später, das ist nichts, was heute ansteht“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, im „Morgenmagazin“.

Leitartikel: Gerüchteküche Berlin

Als Parteichef hat Schulz das erste Zugriffsrecht – und damit die Chance auf das Außenamt und die Vizekanzlerschaft. Um seine Macht zu sichern, könnte er erklären, er gehe ins Kabinett, um sein Herzensthema „Mehr Europa zu wagen“ voranzubringen. In diesem Szenario bliebe er auch Parteivorsitzender. Es gibt aber auch Spekulationen, dass er beim Gang in das Kabinett zur Aufgabe des SPD-Vorsitzes bewegt werden könnte, damit jemand anderes den Erneuerungsprozess glaubhaft vorantreibt. 2005 trat Franz Müntefering in den Koalitionsverhandlungen als Parteichef zurück, wurde aber dann Arbeitsminister und Vizekanzler.

Scholz kommt ins Spiel, wenn Schulz verzichtet

Sollte Schulz verzichten, kommt Hamburgs Regierungschef Olaf Scholz ins Spiel. Er gilt als heißer Kandidat, wenn die SPD das Finanzministerium bekommt – aber er würde wohl nur wechseln, wenn er auch Vizekanzler wird. Dafür müsste aber dann das Außenministerium an CDU/CSU fallen. Scholz hat einen guten Draht zu SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles, mit der er de facto das neue Führungstandem bilden würde. Schulz wäre so geschwächt, dass dies auch zum Rücktritt als Parteichef führen könnte.

Zusätzlich erschwert der Mitgliederentscheid die Situation der SPD. Bis März werden die knapp 450.000 SPD-Mitglieder darüber entscheiden, ob die Sozialdemokraten in die Große Koalition gehen sollen. „Den anstrengenden Koalitionsverhandlungen folgt nun noch der kräftezehrende innerparteiliche Wahlkampf“, sagt ein Sozialdemokrat. Viele sehen das Risiko von weit aus mehr Nein-Stimmen beim geplanten SPD-Mitgliederentscheid über den Koalitionsvertrag, wenn Schulz nicht vorher sagt, was er in Sachen Kabinett und Parteivorsitz vorhat.

Zur Frage, wann SPD-Chef Schulz Klarheit schaffen wird, wollte sich Carsten Schneider nicht äußern. „Ich werde mich an dieser Diskussion nicht beteiligen“, sagte er. In der SPD gibt es Forderungen, die Parteispitze solle direkt nach der Vorlage eines Koalitionsvertrages und damit vor dem Mitgliederentscheid klarmachen, wer für die Sozialdemokraten ins Kabinett geht. Viele glauben, dass sich die Debatte ohnehin nicht über Wochen klein halten ließe.