Neuer Superlaser zieht Spitzenforscher aus aller Welt an. Was das bedeutet.

Die Maschine ist eine Wette auf die Zukunft, trotz aller technischer Finessen. Ob es Forschern mit dem weltweit stärksten Röntgenlaser European XFEL unter der Erde zwischen Bahrenfeld und Schenefeld tatsächlich gelingen wird, etwa „wichtige Grundlagen für die Medikamente der Zukunft“ zu schaffen und „völlig neue Werkstoffe mit revolutionären Merkmalen“ zu finden, wie es die European XFEL GmbH ankündigte, muss sich noch erweisen.

Es zeugt auch von einem besonderen Selbstbewusstsein, schon vor dem Start eine Broschüre mit dem Titel „Enlightening Science“ zu überschreiben, was man mit „Aufklärende“, „Erhellende“ oder „Erleuchtende Wissenschaft“ übersetzen kann. Und es ist kühn, sogar in den „Tagesthemen“ anzukündigen: „Wir rechnen auf jeden Fall mit Nobelpreisen“, wie es der Physiker Harald Sinn tat.

Andere Forscher haben bisher auf große Worte verzichtet. Sie wollen erst mit ihren Experimenten an dem riesigen Messinstrument beginnen und sehen, ob sie mit der Menge der Ergebnisse zurechtkommen. Das ist verständlich: Alle sechs Detektoren des European XFEL könnten nämlich pro Jahr so viele Daten liefern wie auf etwa zwei Millionen DVDs passen. Vor den Nobelpreisen wartet ein Haufen Arbeit.

Dennoch gibt es jetzt schon Anlass für Applaus und Grund zur Freude. Um den unterirdischen Tunnel und den Röntgenlaser zu bauen und in Betrieb zu nehmen, haben mehrere Tausend Menschen acht Jahre lang zusammengearbeitet. Elf Länder haben gemeinsam 1,5 Milliarden Euro aufgebracht, die das europäische Gerät kostet. Sogar Großbritannien wird dem Unterstützerkreis bald beitreten, trotz Brexits. Auch Russland mischt mit, obwohl die politischen Beziehungen zur EU erkaltet sind.

In einem transnationalen Kraftakt eine 3,4 Kilometer lange Maschine zu bauen, deren Einzelteile bis auf den Millimeter perfekt zusammenpassen müssen, damit bis zu 27.000 Röntgenlaserblitze pro Sekunde entstehen können, ist eine großartige und bewundernswerte Leistung.

Ein Lichtblick ist der Laser für die Metropolregion Hamburg. Etliche Spitzenforscher haben sich von der Anlage anlocken lassen, etwa der Biophysiker Henry Chapman, der von Kalifornien nach Hamburg wechselte, und Franz Kärtner, ein Spezialist für Lasertechnologie, der vom MIT in Boston kam. Viele weitere Top-Leute bewerben sich um Experimentierzeit in Hamburg.

Das hat auch mit dem Forschungscampus Bahrenfeld und dem Deutschen Elektronen-Synchrotron (Desy) zu tun, die modernste Supermikroskope, Laserlabore und die brillante Röntgenlichtquelle Petra III bieten. 160 Millionen Euro hat Hamburg in vier Neubauten auf dem Bahrenfelder Areal gesteckt. Physiker, Mediziner, Chemiker, Biologen und Informatiker arbeiten dort zusammen, was alles andere als selbstverständlich ist. Der Campus habe „internationale Strahlkraft“, urteilt der Wissenschaftsrat, Deutschlands wichtigstes wissenschaftspolitisches Beratungsgremium.

Von diesen Bedingungen profitieren dürften auch Studierende und Graduierte. Dadurch wird Hamburg auch als Hochschulstandort attraktiver. Ebenfalls angezogen fühlen könnten sich Hightech-Firmen in den Bereichen Bio- und Lebenswissenschaften.

Bleibt zu hoffen, dass die bisher weniger geförderten Geistes- und Sozialwissenschaften künftig ähnlich große Sprünge machen können. Dann hätte Hamburg ihn bald ganz verdient, den Titel „Metropole der Wissenschaft“.

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