Die Suche nach Neuzugängen verlief in Hamburg holprig – weil die Verantwortlichen keine klare Strategie teilten.

Beginnen wir an dieser Stelle mit einer Quizfrage: Was haben Nico Schulz, Jannes Horn, Bastian Oczipka, Jetro Willems, Kristian Pedersen, Mats Pedersen, Tim Leibold, Konstantinos Stafylidis, Diego Contento und Jérôme Roussillon gemeinsam? Richtig, sie alle spielen beruflich Fußball. Ebenfalls richtig: Sie alle üben ihren Beruf auf der Position des Linksverteidigers aus. Doch damit nicht genug der Gemeinsamkeiten: Alle diese Spieler wurden in den vergangenen drei Monaten als Neuzugang beim HSV gehandelt. Bliebe als Quizpointe noch die letzte Parallele. Welcher dieser Spieler ist am Ende der Transferperiode nach Hamburg gewechselt? Richtig, keiner.

Gestern schloss sich das Transferfenster der Bundesliga. Der sogenannte „Deadlineday“ zählt beim HSV traditionell zu den Lieblingstagen im Jahr. Wenn um 18 Uhr der final-fiktive Transfergong ertönte, überraschten die Hamburger gerne mal mit einem Last-mi­nute-Transfer. Doch in diesem Jahr ist alles anders. Der HSV verzichtete – teils gewollt, teils ungewollt – auf einen Neuzugang in letzter Minute.

Man könnte an dieser Stelle davon sprechen, dass der HSV Ruhe bewahrt hat, wirtschaftliche Vernunft hat walten lassen. Er hat nicht wie schon so oft aus der Panik heraus für viel Geld noch einen Spieler gekauft, um irgendwelche Erwartungen zu erfüllen oder eigene Fehleinschätzungen zu korrigieren. Man könnte aber auch zu dem Schluss kommen, dass der Club seine Transferziele verpasst hat. Er wollte noch einen Linksverteidiger holen, hat aber keinen mehr verpflichten können – trotz einer drei Monate andauernden Suche.

HSV fehlt eine klare Transfer-Linie

Von einer erfolgreichen Transferperiode kann man aber auch aus anderen Gründen nicht sprechen. Der HSV wollte sich von Topverdienern wie Lewis Holtby oder Aaron Hunt trennen, wurde auf den letzten Metern aber nur noch Pierre-Michel Lasogga los, für den der Club während der Ausleihe nach Leeds noch Teile des Gehalts weiterzahlt. Er hat am Ende mal wieder deutlich mehr Geld ausgegeben (19 Millionen Euro) als eingenommen (5,5). Der HSV wollte den Gehaltsetat von 56 auf 48 Millionen Euro senken, musste am Ende aber einsehen, dass dieses Vorhaben nicht funktioniert hat. Die Kaderkosten liegen noch immer bei rund 55 Millionen Euro.

Dass der HSV nun auf eine suboptimal verlaufene Transferperiode zurückblickt, liegt zum großen Teil auch daran, dass er nicht mit einer Stimme kommuniziert hat. Während Sportchef Jens Todt während der Rückrunde angesichts von nur drei auslaufenden Spielerverträgen (René Adler, Johan Djourou, Matthias Ostrzolek) von kleineren Kaderveränderungen sprach, kündigte Clubchef Heribert Bruchhagen einen größeren Umbruch an. Gleichzeitig erklärte er, dass sich die Wünsche von Trainer Markus Gisdol aus wirtschaftlichen Gründen nicht alle realisieren werden lassen. Viele Aussagen, wenig Linie.

Gisdol wollte gezielte Veränderungen herbeiführen, hungrige Spieler mit Mentalität holen. Fünf neue Spieler hat er letztlich bekommen. Kyriakos Papadopoulos, André Hahn, Bjarne Thoelke, Rick van Drongelen und Julian Pollersbeck wurden fest verpflichtet, der Vertrag mit Bobby Wood zudem verlängert. Dass der Trainer sich unter „gezielten Veränderungen“ etwas mehr versprochen hatte, konnte er nicht in Gänze verbergen.

Warum wollte der HSV überhaupt einen Linksverteidiger?

Doch Fußball ist eben schnelllebig. Wer hätte erwartet, dass dem HSV nach dem Pokal-Aus in Osnabrück und der Generalabrechnung von Investor Kühne („Luschen“) der beste Saisonstart seit sieben Jahren mit der zwischenzeitlichen Tabellenführung gelingt? Sollte der HSV in einer Woche nach dem Spiel gegen Leipzig wieder an die Spitze klettern, wird vermutlich keiner mehr über den verpassten Last-minute-Einkauf eines Linksverteidigers sprechen.

Schließen wir an dieser Stelle daher mit einer weiteren Quizfrage: Wer tätigte vor genau einem Jahr den teuersten Deadlineday-Transfer der Bundesliga? Richtig, der HSV. Der Spieler: Douglas Santos. Kosten: 7,5 Millionen Euro. Beruf: Linksverteidiger. Status: Olympiasieger. Der Brasilianer bleibt nun doch in Hamburg. Und der HSV? Der hätte sich eine lange Suche ersparen können.