Zugegeben: Keiner weiß, was in den Julitagen beim G20-Gipfel passiert. Keiner kann versprechen, dass alles glatt verläuft. Und ja, natürlich darf man sich Sorgen machen. Man muss es aber nicht. Angekündigte Katastrophen sind bislang stets ausgeblieben, Organisatoren und Polizei scheinen gut vorbereitet. Hamburg erlebt im Juli, was in einer Demokratie möglich sein muss: einen Gipfel von Staatsoberhäuptern und zugleich ein Treffen der Gegner. Für wenige Stunden ist Hamburg das, was die Stadt stets vorgab zu sein: Weltstadt.
Während die Infrastruktur den Gipfel ohne Probleme stemmt, wächst bei vielen Hamburgern die Nervosität, die sich mitunter zur Hysterie steigert. Verstärkt durch autonome Wirrköpfe, aufgeregte Medien sowie Panikräume und Echokammern in sozialen Netzwerken, gerät aus dem Blick, worum es bei dem G20-Gipfel eigentlich geht. Die halbe Stadt diskutiert nur noch, was in Hamburg bald (angeblich) nicht mehr geht.
G20 in Hamburg: Sorge ist noch lange keine Hysterie
Eltern fürchten um das Wohl ihrer Kinder und möchten sie nicht zur Schule schicken; Firmen geben G20-frei. Sogar Medienhäuser wie Gruner + Jahr, die man einstmals für Bastionen der Aufklärung hielt, geben ihren Beschäftigten Sonderurlaub. Einer Umfrage des Abendblatts zufolge erwägt ein Drittel der Hamburger gar, zum Gipfel die Stadt zu verlassen. Gelassenheit sieht anders aus. Natürlich bleibt auch bei 20.000 Polizisten ein Restrisiko; aber dieses Restrisiko gilt jeden Tag im Haushalt, im Urlaub, im Straßenverkehr. Vermutlich ist es gefährlicher, sich ins Auto zu setzen und Hamburg den Rücken zu kehren, als einfach hierzubleiben. Selbst der Rote-Flora-Sprecher bremst nun die hochschießenden Emotionen: „Hamburg wird noch stehen.“
Eine aufgeklärte, demokratische Stadt sollte etwas souveräner und gelassener mit dem Gipfel umgehen – unabhängig von der Weltsicht: Die Befürworter des Gipfels dürfen stolze Gastgeber sein und hoffen, dass hier Geschichte gemacht wird und Staatschefs zueinanderfinden; die Gegner dürfen demonstrieren und sich über Zehntausende Gleichgesinnte freuen. Nie war Hamburg so politisch wie in diesen Tagen! Und wir empören uns über Verkehrsbehinderungen, als gäbe es sie nur zu G20?
Unser Leben normal weiterzuleben wäre ein demokratisches Statement. Ist Hamburg eine offene Metropole – oder ein ängstliches Krähwinkel?