G20-Treffen ist auch eine Chance. Das sollten wir bei allen Sorgen und Protesten nicht vergessen.

In 74 Tagen trifft sich die Welt in Hamburg. Als die Planungen für das Spitzentreffen der Mächtigen in unserer Stadt bekannt wurden, hat die Aussicht auf den G20-Gipfel am 7. und 8. Juli viele Hamburger im ersten Impuls stolz gemacht. Nicht die linken, alternativen Milieus oder gar die Autonomen zwar, aber doch viele bürgerliche Hansestädter fühlten sich gebauchpinselt, dass nicht der ewige Konkurrent Berlin, sondern eben Hamburg für einige Tage in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit rücken soll. Das war, zugegeben, bevor Donald Trump amerikanischer Präsident wurde und sich Recep Tayyip Erdogan anschickte, die Türkei in eine Präsidial-Diktatur umzubauen.

Von der Begeisterung ist wenig geblieben; es scheint, als sei die Stimmung gekippt. Mittlerweile überwiegen Skepsis, wenn nicht sogar Ablehnung – bis weit in die Mitte der Gesellschaft hinein. Viele Fragen beschäftigen die Menschen, und sie sind kritisch: Wird die Stadt in den Tagen im Juli zu einer Festung? Wie stark behindern die massiven Sicherheitsvorkehrungen und Absperrungen jeden Einzelnen? Was ist mit Kitas und Schulen? Was mit Geschäften und Restaurants? Und: Wird es Straßenschlachten geben? Drohen sogar Terrorangriffe? Wer kann, heißt es, wird die Stadt verlassen.

Die Sorgen sind legitim, die Fragen allemal. Aber sie sollten nicht den Blick darauf verstellen, was der G20-Gipfel eigentlich bedeutet, was er bezweckt – und im besten Fall in Bewegung bringen kann. Schließlich ist es wichtiger denn je, dass die Mächtigen zusammenkommen und über die internationalen Spannungen und Krisen, drohende Handels- oder sogar heiße Kriege sprechen.

G20-Proteste müssen friedlich ausfallen

Am Tisch sitzen nicht nur die Chefs der wichtigsten Industrieländer, sondern auch die von Schwellenländern wie Brasilien, Indien und Indonesien. Es geht nicht nur um die Beherrschbarkeit internationaler Finanzmärkte – gerade der deutschen G20-Präsidentschaft ist es wichtig, die Globalisierung sozial weiterzuentwickeln und Verabredungen zu treffen, die einen wirtschaftlichen Aufschwung für den afrikanischen Kontinent bringen können. Zivilgesellschaftliche Gruppen werden in zahlreiche Workshops und Dialogforen eingebunden, beispielsweise, wenn es darum geht, Frauen weltweit wirtschaftlich zu stärken. Auch das ist G20.

Man kann die Globalisierung und ihre Folgen kritisch sehen – aber gerade dann muss man sich mit ihr aus­einandersetzen und sie gestalten. Man kann über die Ziele und Zusammensetzung des Gipfels streiten und dagegen demonstrieren – aber man muss es friedlich tun. Gegen die Politik von Trump, Erdogan und Kremlchef Wladimir Putin Flagge zu zeigen, dazu werden die Hamburger im Umfeld des Gipfels Gelegenheit bekommen.

Wenn man es grundsätzlich richtig findet, dass die Mächtigen der Welt zusammenkommen, um miteinander zu sprechen, wird man akzeptieren müssen, dass diese Treffen während der Zeit der deutschen Präsidentschaft in Deutschland stattfinden. Und das ist angesichts der Vielzahl und Größe der teilnehmenden Delegationen eben nicht wie beim G8-Gipfel in Heiligendamm (2007) oder beim G7-Treffen auf Schloss Elmau möglich. Beide hatten eine ganz andere Dimension.

Es ist wohl so: Hamburg sieht sich gern als Großstadt von internationalem Rang. Ja: Die Hamburger sonnen sich bisweilen in dem Gefühl, in einer Weltstadt zu leben. Aber wenn es ernst wird, hätten sie Hamburg doch lieber als Dorf. Gemütlich und ohne größere Störungen – oder Ambitionen.

Mit der Haltung „Muss sein, aber bitte nicht bei uns“ würden wir es uns zu einfach machen. Man kann es auch so sehen: Wer, wenn nicht wir, kann es schaffen, die Mächtigen der Welt willkommen zu heißen und zugleich einen offenen, kritischen Dialog zu organisieren, der möglichst viele gesellschaftliche Gruppen einbindet?

Deshalb gilt: Wir müssen uns bestmöglich vorbereiten – verrückt machen sollten wir uns nicht.