Der HSV hat sich neu aufgestellt, doch die Probleme bleiben die gleichen. Wie der Club den Teufelskreis durchbrechen kann.

Er wählte noch ein letztes Wort. „Ruhe“, schrieb Johan Djourou am Mittwochabend am Ende eines offenen Briefs. „Das Wichtigste ist jetzt Ruhe.“ Der Verteidiger des HSV wollte das letzte Wort haben. Er fühlte sich – mal wieder – ungerecht behandelt. Und suchte den Weg über die Öffentlichkeit. Mal wieder. So wie vor zwei Wochen, als der Schweizer in einem Interview die Art seiner Degradierung als HSV-Kapitän kritisierte. Und damit vor allem für eines sorgte: Unruhe.

Nun ist das Geschäft Fußball bekanntlich schnelllebig. So schnell wie Djourous Aussagen vergessen waren, so schnell ging es beim HSV um ein neues Thema: Djourous Aussagen. Am Tag nach der 0:3-Niederlage bei Borussia Dortmund sah sich der Kapitän a. D. genötigt, auf die öffentlichen Spekulationen über seine kurzfristige Absage zu reagieren. Öffentlich. Von „haltlosen Unterstellungen“ schreibt Djourou.

Nun wird die Öffentlichkeit die Wahrheit über seine Absage wegen „Problemen mit der tieferen Bauchmuskulatur im Schambeinbereich“ voraussichtlich nie erfahren. Fakt ist, dass der HSV mal wieder ein Problem mit einem gekränkten Spieler hat – nicht zum ersten Mal. Kaum ein Club schafft es in derartiger Regelmäßigkeit, Spieler in den Status der Enttäuschung zu bringen. Warum eigentlich?

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    Warum musste Demirbay den HSV verlassen?

    Am Sonnabend dürfen die Zuschauer im Volksparkstadion einen ehemaligen Spieler beobachten, der den Status „enttäuscht“ abgelegt hat, seit er nicht mehr beim HSV unter Vertrag steht: Kerem Demirbay. 24 Jahre jung. Mittelfeldspieler. Leistungsträger beim Tabellendritten 1899 Hoffenheim. Drei Jahre gehörte dieser Spieler dem HSV. Demirbay ist ein gleichsam selbstbewusster wie sensibler Charakter. Kein einfacher Typ. Ganz sicher aber ein feiner Fußballer mit Qualitäten, die dem HSV in den vergangenen Jahren fehlten. Und doch fanden die Hamburger Trainer nie eine wirkliche Verwendung für den Techniker.

    Der gekränkte Demirbay wechselte schließlich im Sommer für schlappe 1,7 Millionen Euro nach Hoffenheim. Was Djourou nun mit Demirbay zu tun hat? Zunächst einmal nicht viel. Und doch zeigen die Beispiele der beiden Enttäuschten, was beim HSV in den vergangenen Jahren schiefgelaufen ist. Durch die ständigen Wechsel auf den Positionen der sportlichen Entscheidungsträger wurden Spieler im Kader wahlweise hin und her geschoben, ihnen wechselweise das Vertrauen geschenkt und wieder entzogen.

    HSV braucht Kontinuität

    So setzte etwa Trainer Bruno Labbadia zu Saisonbeginn noch auf Emir Spahic und Johan Djourou als absolute Führungsspieler. Spahic war Labbadias Leader, Djourou der Kapitän und wichtiger Ansprechpartner. Ex-Club- und Sportchef Dietmar Beiersdorfer ließ Labbadia in der Hierarchiebildung der Mannschaft gewähren, obwohl er längst an dem Trainer zweifelte und ihn schließlich nach fünf Spieltagen feuern sollte. Nachfolger Markus Gisdol fand im Oktober einen Kader vor, der einem Manager-Trainer-Potpourri aus Kreuzer, Slomka, Knäbel, Zinnbauer, Labbadia, Beiersdorfer glich, der schließlich im Januar mit ein wenig Todt garniert wurde. Gisdol schaute sich den Kader ein paar Wochen lang an und stellte die Hierarchie um – die Leader heißen nicht mehr Spahic und Djourou, sondern Sakai oder Mavraj.

    Dass Djourou nun beleidigt wirkt, Demirbay sich nicht wertgeschätzt fühlte, ein Marcelo Diaz in seinem Stolz gekränkt war oder der divenhafte Alen Halilovic sich missverstanden fühlte, kann man zwar nicht ausschließlich dem HSV vorwerfen. Aber letztlich sind all diese Spieler Beispiele für hausgemachtes Missmanagement in der Zusammenstellung der Mannschaft.

    Will der HSV diesen Teufelskreis durchbrechen, bleibt ihm keine andere Möglichkeit, als auf den Posten der sportlichen Entscheidungsträger endlich Kontinuität zu finden. Mit einem Trainer und einem Sportchef, die in der Kaderplanung eine klare, einheitliche Sprache sprechen, um Problemfälle wie Djourou zu vermeiden. Diese hat Markus Gisdol am Donnerstag in jedem Fall geräuschlos gelöst, in dem er den Spieler öffentlich schützte. „Damit ist das Thema beendet“, sagte Gisdol. Das letzte Wort hat eben doch der Trainer.

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