Der Rechtsstaat funktioniert: Der Fall um ein vergewaltigtes Mädchen könnte neu aufgerollt werden.
Es war nicht nur der Fall selbst, sondern die ganze angestaute Wut. Mehr als 100.000 Unterzeichner einer Petition protestierten gegen das Urteil im Falle der Gruppenvergewaltigung einer 14-Jährigen in Harburg: Fünf Angeklagte hatten sie missbraucht, gefilmt, in eisiger Kälte zurückgelassen – und waren mit Bewährungsstrafen davongekommen. Die Gerichte hätten sich endgültig von dem Gerechtigkeitsempfinden des Volkes entfernt, hieß es. Dass der Fall nun womöglich neu aufgerollt wird, ist aber kein Ergebnis des öffentlichen Drucks. Es ist ein Beleg dafür, dass der Rechtsstaat funktioniert.
Die Staatsanwaltschaft hat sich seit dem Richterspruch nur an den Fakten orientiert. Sie fordert nicht bloß eine Revision, weil ihr das Urteil zu lasch ausfiel – sondern weil sie fachliche Anzeichen für Fehler des Gerichts fand. Das zeigt die Unterstützung des Generalbundesanwalts, die gewiss kein Selbstläufer ist. Auch inhaltlich zielt der Antrag, über den nun der Bundesgerichtshof entscheidet, auf den Kern des Falls: Es werden nicht etwa juristische Spitzfindigkeiten kritisiert, sondern die entscheidenden Abwägungen in dem Fall infrage gestellt. Das Gericht könnte den Fakt, dass die Peiniger das Mädchen in Lebensgefahr brachten, bisher nicht ausreichend gewürdigt haben.
Die Erfahrung zeigt, dass die meisten Urteile trotz einer Revision Bestand haben. Bei allem Schmerz über die Tat ist es geboten, auch die Expertise der Juristen zu respektieren. Nur die Beteiligten kennen die Details des Falls. Weder Medien noch Bürger können sich die Beurteilung anmaßen, ob die Reue der Täter echt ist. Es sind harte, enge Entscheidungen, die den Richtern abverlangt werden. Unsere Gesellschaft kann sich glücklich schätzen, dass die Justiz nicht von äußerem Druck bestimmt wird, sondern sich selbst hinterfragt.