Die Lehren aus Berlin – warum es richtig ist, öffentliche Plätze zu überwachen.

Es dauerte gerade einmal einen Tag, bis sich sechs der sieben jungen Kriminellen, die in einer Berliner U-Bahn-Station versuchten, einen Obdachlosen zu verbrennen, stellten. In nur 24 Stunden hatte sich ein so großer Fahndungsdruck aufgebaut, dass die verrohten jungen Männer keinen Ausweg mehr sahen. Der Fall zeigt, wie sinnvoll die Überwachung des öffentlichen Raums sein kann. Die Bilder der Kameras waren so gestochen scharf, die mediale Verbreitung so umfassend, dass die Täter keine Chance hatten, unerkannt zu bleiben. Vorgänge wie dieser sind ein Beleg, dass Videoüberwachung effektiv ist – sofern Richter eine zeitnahe Veröffentlichung nicht verhindern, wie in Hamburg durchaus schon geschehen.

60 Prozent sprachen sich zuletzt in einer Umfrage für eine verstärkte Videoüberwachung öffentlicher Räume aus. Die Befragten forderten zudem mehr Polizisten und deren bessere Ausrüstung. Dass die Mehrheit so klar ausfiel, ist sicher auch dem verheerenden Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt geschuldet. Wir sehnen uns nach allem, von dem wir glauben, es mache das Leben wieder etwas sicherer. Aber kann Videoüberwachung das leisten? Ist sie mehr als nur ein Placebo für verängstigte Menschen?

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Der Autor ist Mitglied der Abendblatt-Chefredaktion © HA | Michael Rauhe

Selbst, wenn man diese Frage mit Nein beantworten müsste, wäre es dennoch richtig, auf öffentliche Kameras zu setzen – und sei es auch nur, um ein bisschen Mehr an Sicherheit zu suggerieren. Aber die Frage ist nicht mit Nein zu beantworten, sondern mit einem klaren Ja. Die Überwachung von Kamerabildern in Echtzeit am Monitor in der Wache kann helfen, dass Polizisten schnell am Tatort eingreifen und vielleicht noch Schlimmeres verhindern. Filme von Straftaten können helfen, die Kriminellen zu ermitteln und zu überführen.

Datenschützer, Richter oder Hacker warnen vor zunehmender Überwachung. Sie sei untauglich, Straftaten zu verhindern; sie könne Terroristen, die von der Kraft ihrer Bilder wüssten, sogar noch in ihrer Entschlossenheit bestärken; sie schränke die Freiheitsrechte des Einzelnen ein, behaupten sie. Ja, kann sein, dass es so ist. Aber was ist wichtiger: das potenzielle Opfer eines Überfalls zu schützen oder zu verhindern, dass ein unschuldiger Passant kurz auf einem Monitor in der Überwachungszentrale zu sehen ist?

London dient als positives Beispiel

In London, wo es inzwischen mehr Kameras als Haustiere geben dürfte, hat die öffentliche Überwachung 2005 Terroranschläge auf Busse und eine U-Bahn nicht verhindern können – aber dank der Bilder konnte Scotland Yard die Attentäter rasch identifizieren. Immer wieder halfen dort Mitschnitte von Straftaten, Täter zu ermitteln und zu verurteilen. Auch in Hamburg gelang es der Polizei so, viele Fälle von „Alltagskriminalität“ schnell aufzuklären.

Auch hat sich die Zahl der Vandalismus-Fälle in Bussen und Bahnen in etwa halbiert, seit hier weitgehend flächendeckend überwacht wird. Tausende Kameras filmen uns bereits, wenn wir in der Stadt unterwegs sind. Sie zeichnen auf, wie wir an Haltestellen warten, wie wir einsteigen, was während der Fahrt passiert. Die allermeisten Hamburger stören denn auch nicht die Kameras, sondern, um es nett zu formulieren, unangenehme Fahrgäste. Wenn es Alltag ist, in Bussen und Bahnen zu filmen, warum ist es dann nicht genauso selbstverständlich auf Plätzen und Straßen, auf denen es immer wieder zu Straftaten kommt? Zum Beispiel auf dem Kiez. Zur Not dort auch flächendeckend. Silvester ist ein Anfang.