Thema Ausländerkriminalität – Unser Hunger nach Horror schürt unsere Angst

Mehrere Kriminalfälle verstören Deutschland: In Freiburg soll ein junger Flüchtling eine Studentin vergewaltigt und getötet haben. In Bochum wird ein irakischer Asylbewerber als mutmaßlicher Doppelvergewaltiger verhaftet. Und an der Großen Freiheit nimmt die Polizei nach einer Vergewaltigung einen Marokkaner noch am Tatort fest.

Das alles sind Taten, die erschüttern. Fassungslos aber macht auch die Debatte über diese Fälle. In TV-Talkshows wird viel gestritten, aber vor allem um den heißen Brei herumgeredet. In Internetforen wird jeder Kriminalfall missbraucht, um Stimmung gegen Zuwanderer zu machen. Einige sehnen sich geradezu nach einem Migrationshintergrund des Verdächtigen. Zugleich können Gutmeinende gar nicht schnell genug betonen, dass Flüchtlinge nicht krimineller sind als Deutsche. Die Deutsche Welle verkündete kürzlich gar: „Immigration senkt Kriminalität.“ Das werden viele Bürger nach Köln nicht mehr glauben.

Die Debatte über Kriminalität von Zuwandern im Allgemeinen und Flüchtlingen im Besonderen dürfen wir nicht Ideologen überlassen. Weder sollten Journalisten – auch nicht in guter Absicht – Fakten verschweigen, noch darf eine Tat allein durch den Täter eine andere Dimension bekommen. Eine Vergewaltigung durch einen Deutschen ist nicht weniger schlimm als eine durch Flüchtlinge. Nüchtern sollten wir uns einer Analyse der Kriminalitätsentwicklung stellen – bevor Hetzer daraus ihre Lügensuppe kochen.

Es kann nicht überraschen, dass Zuwanderung die Kriminalität erhöht: Mehr Menschen machen mehr Blödsinn. Positiv wirkt sich aus, dass der große Teil der Flüchtlinge extrem gesetzeskonform lebt. Und negativ, dass unter den Zugewanderten die auch bei Deutschen auffälligen Gruppen überrepräsentiert sind: vor allem Männer, vor allem Jüngere, viele Menschen in einer schwierigen sozialen Lage und mit einer von Gewalt und Patriarchat geprägten Sozialisation. Und, auch dies gehört zur Wahrheit: Die Gewaltaffinität von religiösen Muslimen ist höher als von Christen.

Das alles sollte man wissen, bevor man die Sorgen der Bürger locker vom Tisch wischt. Geradezu grotesk wirkt, wenn Politiker oder Publizisten Ängste kleinreden, 72 Prozent der Vergewaltiger seien Deutsche. Es könnte sein, dass die 28 Prozent (bei einem Ausländeranteil von zehn Prozent) den Menschen noch mehr Sorgen machen. Zumal der Anteil bei Mord und Körperverletzung ähnlich hoch ist. Ängste benennen zu dürfen, ohne gleich die Rassismuskeule übergebraten zu bekommen, ist das eine. Eine ehrliche Aufarbeitung der Gründe und die Entwicklung von Strategien gegen die Gewalt das andere. Erleichterte Abschiebungen von rechtskräftig verurteilten Straftätern sind schnell gefordert, aber nur langsam umgesetzt. Sie bleiben als Signal gleichwohl unerlässlich.

Und trotzdem gibt es keinen Anlass für Hysterie: Die neue Unsicherheit ist mitunter eher eine gefühlte. Die Zahl der Vergewaltigungsfälle etwa sinkt seit Jahren; auch andere Kapitaldelikte kommen seltener vor. Aber die einzelnen Taten bekommen eine breitere Aufmerksamkeit. Im Internet verbreiten sie sich wie ein Lauffeuer, werden gepostet, geteilt, kommentiert. Auch seriöse Medien springen auf Geschichten, die früher nur die „Bild“ interessiert hätten. Nun soll sogar die „Tagesschau“ über Mord und Totschlag berichten. Die Folgen sind absehbar: Unser Hunger nach Horror wird unsere Ängste weiter schüren.