Ist der Bundesliga-Dino noch zu retten? Die Trennung Dietmar Beiersdorfer ist der Tiefpunkt einer fatalen Entwicklung.

Was aussehen soll wie ein Befreiungsschlag, ist in Wirklichkeit die Bankrotterklärung des Hamburger SV. Mit Dietmar Beiersdorfer an der Spitze sollte nach der Ausgliederung des Profibetriebs eine neue, glorreiche Zeit des Vereins beginnen. Sein Rauswurf ist deshalb das Eingeständnis, mit allem, was man sich für den HSV vorgenommen hatte, gescheitert zu sein. Die Trennung vom großen Hoffnungsträger ist der Tiefpunkt einer Entwicklung, die nicht arm an Tiefpunkten ist. Und es stellt sich mehr denn je die Frage: Ist der HSV noch zu retten?

Was die sportliche Leistung angeht, hatte man als Fan nach acht Punkten aus den vergangenen vier Spielen und dem Verlassen der Abstiegsränge ja wieder Hoffnung. Es schien endlich etwas Ruhe in den Club zu kommen. Aber anscheinend ist das kein Zustand, den man beim HSV ein paar Tage ertragen kann. Dass der Verein ausgerechnet jetzt, in der lange herbeigesehnten Aufwärtsbewegung, den Vorstandsvorsitzenden und Interims-Sportchef entlässt, ist ein Schlag ins Gesicht von Trainer Gisdol, der kurz vor dem Spiel gegen Augsburg um weniger Gerüchte und Schlagzeilen aus der HSV-Führung gebeten hatte. Vergiss es, ist die Botschaft an den Coach, du bist hier bei einem Club, bei dem das S auch für Skandale stehen könnte.

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Der Autor ist Chefredakteur des Hamburger Abendblatts © HA | Andreas Laible

Schlimm genug, dass die Hamburger schon auf dem Platz von immer weniger Konkurrenten ernst genommen werden. Außerhalb dürfte der HSV spätestens seit diesem Wochenende endgültig als Vorzeigebeispiel dafür gelten, wie man es nicht macht.

Der Kern einer erfolgreichen Strategie – in einem Unternehmen und in einem Fußballverein – ist es, an ihr festzuhalten. Der HSV hat immer behauptet, eine Strategie für eine bessere Zukunft und das dazu passende Personal zu haben. Die entsprechenden Herren sind nun weg, eine Strategie ist nicht mehr zu erkennen. Es sei denn, man bezeichnet das permanente Austauschen von Führungskräften als Konzept. Und die Botschaft, die der HSV an seine Mannschaft aussendet, ist fatal: Ganz gleich, wie ihr spielt, ob schlecht oder etwas besser, zur Verantwortung werden immer andere gezogen.

Kaum vorstellbar, dass die Profis in den verbleibenden Spielen der Hinrunde an den positiven Trend der vergangenen Wochen werden anknüpfen können. Die Trennung von Beiersdorfer, die Verpflichtung eines neuen Vorstandschefs und eventuell eines neuen Sportdirektors werden wochenlang Unruhe in einen Verein bringen, der genau das Gegenteil braucht. Und wer würde nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre nun daran glauben, dass mit neuen Köpfen alles besser wird? Zumal die Verpflichtung des neuen Vereinschefs auch kein Signal für eine Ära der Kontinuität ist. Heribert Bruchhagen, ohne Zweifel ein kompetenter, bestens vernetzter Manager, steuert auf die 70 zu und hatte sich nach seinem letzten Engagement bei Eintracht Frankfurt eigentlich aus der Bundesliga verabschiedet. Seine Rückkehr wirkt deshalb ein bisschen so, als hätte der HSV Jupp Heynckes oder Ottmar Hitzfeld aus dem Ruhestand zurück auf die Trainerbank geholt. Topleute, ohne Frage, aber eben keine Typen, denen die Zukunft gehört.

Leider machen genau die auf allen Ebenen schon länger einen Bogen um Hamburg, der dazu immer größer zu werden scheint. Oder kann man sich einen ambitionierten Trainer beziehungsweise Spieler vorstellen, der freiwillig zum HSV kommt, wenn er auch in einem anderen Bundesliga-Club arbeiten könnte? Zumindest ist es kein geldwerter Vorteil mehr, für den Dino der Eliteklasse zu spielen, im Gegenteil: Die stetig sinkende Attraktivität als Arbeitgeber kann der Verein nur ausgleichen, indem er sogar eher mittelmäßigen Spielern mehr Geld bietet, als sie anderswo verdienen würden.

Der HSV, so wirkt es nach diesem Wochenende mehr denn je, ist nicht zu retten. Das Einzige, was bei diesem Verein noch erstklassig ist, ist das Chaos. Da kann weder in der Bundesliga noch sonst in Europa irgendjemand mithalten.