Er hat Erfolg, weil er anders ist als seine SPD-Genossen in Berlin. Er macht einfach.

Natürlich kann man Bürgerschaftswahlen nicht mit Bundestagswahlen vergleichen. Und Hamburg ist nur ein kleiner Teil der Bundesrepublik. Aber doch ist diese Umfrage eine, die weit über Alster und Elbe hinausstrahlen könnte: In der aktuellen Repräsentativbefragung der Universität Hamburg kommen die regierenden Sozialdemokraten auf 48 Prozent der Stimmen – das würde im Normalfall für die absolute Mehrheit der Sitze genügen.

Das ist eine kleine politische Sensation in einer Zeit, in der die Große Koalition im Bund kaum mehr Wähler hinter sich bringt – wohlgemerkt Union und SPD zusammen. In einer Zeit, in der Sechs-Parteien-Parlamente eher die Regel denn die Ausnahme geworden sind. In einer Zeit, in der selbst in Bayern die CSU in Umfragen weit davon entfernt ist, auf die Hälfte der Stimmen zu kommen. In einer Zeit, in der die SPD fürchten muss, 2017 bundesweit noch unter den historischen 23 Prozent zu landen – dem desaströsen Wahlergebnis des Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier im Jahr 2009.

Trotz aller Relativierungen, bei den 48 Prozent in Hamburg handele es sich um eine traditionelle SPD-Hochburg, einen Stadtstaat und eine Umfrage, sollte die SPD genauer draufschauen – und von Olaf Scholz lernen.

Was macht der 58-Jährige anders als seine Parteifreunde in Berlin oder Brüssel? Vieles. Er ist kein Rhetoriker, der mit der Macht seiner Worte mitzureißen vermag. Er ist aber eben auch kein Springinsfeld, den die Wucht seiner Worte mitreißt. Einige Parteifreunde schaffen es, wochenweise mit starken Sprüchen Aufmerksamkeit zu bekommen und Porzellan zu zerschlagen; Scholz hat vermutlich als Juso seine letzte verbale Entgleisung hingelegt. Für die Twitter-Generation, für Facebook-Nutzer und Häppchen-Journalisten mag das enttäuschend sein – eine Mehrheit der Wähler empfindet es als wohltuend.

Auch inhaltlich wird Olaf Scholz nicht mehr der Lieblingspolitiker des SPD-Unterbezirks Ennepe-Ruhr oder der Jusos Saar. Dafür ist er bis tief ins bürgerliche Lager wählbar. Sein Credo spätestens seit seinem so kurzen wie politisch vergeblichen Intermezzo als Innensenator der Freien und Hansestadt 2001 lautet: „Ich bin liberal, aber nicht doof.“ Bei vielen hochrangigen Parteifreunden sollte man sich da lieber nicht zu sicher sein. Sie verheddern sich bei dem hilflosen Versuch, sich links von Kanzlerin Angela Merkel zu positionieren – ohne zu bemerken, dass sie damit noch weiter von der Mitte weggedrückt werden, die Wahlen entscheidet.

Scholz hält keine spektakulären Reden, er twittert keine Gehässigkeiten oder verortet sich im Scheinwerferlicht stets neu. Scholz macht. Seine Zuwanderungspolitik etwa in der Frage der Lampedusa-Flüchtlinge war meilenweit von Merkels Politik des Laufenlassen entfernt, die konsequente Integrationspolitik in Hamburg ist es auch.

Sein politischer Kompass richtet sich nicht auf Umfragen aus, sondern darauf, was er für „richtig“ und „vernünftig“ hält. In einzelnen Punkten arbeitet er die Parteiprogrammatik demonstrativ ab, in anderen gönnt er sich viel Beinfreiheit.

In der SPD macht man sich damit nicht nur Freunde: Hamburg gilt seit Helmut Schmidts Zeiten als „rechtester Landesverband“, als CSU der SPD. Nun hat sie sogar bessere Umfragewerte als Horst Seehofer im Süden. Aber die Union muss sich nicht zu sehr grämen – viele Sozialdemokraten werden lieber mit Gabriel verlieren als mit Scholz gewinnen wollen.